Nee, nee, jetzt kommt kein Artikel über Beischlafzeremonien. Stattdessen möchte ich das Augenmerk meiner verehrten Leserschaft auf die Tatsache lenken, daß es in letzter Zeit immer mehr “verrückte” Genre-Überkreuzungen im Videospielbereich gibt. Und einige davon (wie z.B. das von mir hochgeschätzte Puzzle Quest) funktionieren sogar.

Ein weiteres Beispiel ist “Recettear: An Item Shop’s Tale”, eine famose Mischung aus Wirtschafts-Sim und Roguelike-Dungeoncrawl, verpackt im zuckersüßen Japano-Stil. Die Idee ist simpel wie elegant. Man spielt Recette, ein junges, energetisches (und manchmal sehr, sehr naives) junges Mädchen, daß eines Tages Besuch von einer Fee bekommt, die als Eintreiber für ein Inkasso-Unternehmen arbeitet. Recette’s Vater hat Schulden gemacht und anstelle sie zu abzuzahlen, hat er sich lieber verdünnisiert. Und jetzt muß die arme Recette, komplett unbedarft und mit dem Damoklesschwert der Hauspfändung über ihrem Haupt, die Kohle zusammenkratzen.

Und dies tut man mit einem Zwei-Fronten-Ansatz. Zum einen kann man in der (vor RPG-Klischees strotzenden) Stadt Waren günstig ein- und im Laden teu(r)er verkaufen, aber eleganter ist es, in Begleitung eines Abenteurer-Sidekicks, in den umliegenden Dungeons nach Zeug zu suchen, mit dem man seine Kunden bedienen kann. Sogar hier kommt schon eine ziemliche Detailverliebheit ins Spiel, die sich wie ein roter Faden durch Recettear zieht. Die Dungeons werden in typischer Rogue-Manier zufällig erstellt, Monster spawnen alle paar Minuten neu, es gibt dazu noch Zufallsereignisse, Fallen und natürlich jede Menge Beute. Selbst die Sidekicks, die man zum Plündern anheuern kann, sind nicht bloß blasse Helfershelfer, sondern haben ihre eigene Story und spielen sich ziemlich unterschiedlich. Und wie in jedem guten Roguelike sind die Konsequenzen für’s Versagen heftig. Man kann nämlich, um seinen Sidekick das Leben zu erleichtern, allerlei Ausrüstung und Verpflegung mit in den Dungeon bringen. Sollte der Sidekick allerdings besiegt werden, verliert man sämtliche Items, die man dabei hatte, egal ob sie aus dem Dungeon stammen oder mitgebracht wurden. EINEN Gegenstand kann man zwar immer retten, aber jeder verlorene Gegenstand ist ja auch bares Geld, daher sollte das Wohl des Abenteurers sehr weit oben auf eurer Prioritätenliste stehen.

Hat man dann ein ordentliches Inventar zusammen, bestückt man den Laden inklusive Kunden lockendem Schaufenster und bemannt die Registrierkasse. Sobald man den Laden öffnet, strömen dann die kaufwilligen Städter (und auch mitunter Abenteurer oder andere VIPs) in den Laden und wollen Zeug kaufen. Also bedient man die Gelüste seiner Kunden und leiert ihnen nebenbei noch in einem interaktiven Handelsprozess möglichst viel Kohle aus den Taschen. Jeder Kundentyp hat seine eigene Verfahrensweise damit umzugehen, vom kleinen Mädchen mit Mini-Taschengeld, das heulend wegrennt, wenn man die Preisschraube zu hart anzieht, bis zum alten Mann mit Rente, der auch gelegentlich mal überhöhte Preise wegsteckt.

Dazu kommt dann noch ein dynamisches Preissystem, ein Crafting-System und - was ich am wenigsten erwartet hatte - eine geschickt inszenierte Geschichte mit Charakterentwicklungen und teilweise zum Schnaufen komischen Dialogen. Auch wenn hier gängige Anime- und Manga-Stereotypen bedient werden, hält sich der Zahnschmerz-Faktor doch in Grenzen, und wer sich freiwillig das eine oder andere JRPG gibt (ich denke da z.B. an dich, Star Ocean!!!), dürfte mit Story und Charakteren keine Probleme haben.

Zur Entscheidungsfindung gibt’s übrigens bei Steam eine Demo, die einen guten Einblick ins Spiel gewährt. Man bekommt die Gelegenheit, eine In-Game-Woche zu absolvieren, inklusive aller Story-Sequenzen, was sich in etwa in anderthalb bis zwei Stunden Spielzeit niederschlägt. Kleiner Tip am Rande: Am besten spielt sich Recettear mit einem Gamepad. Vorm Start also das Config-Programm aufrufen und das Pad konfigurieren, ist auf jeden Fall der mitunter hakeligen Tastatursteuerung vorzuziehen.

Und nächste Woche um diese Zeit erzähle ich euch was über einen weiteren verqueren Genremix, nämlich “Sakura Wars - So Long, My Love”. Eine Dating-Sim, gekreuzt mit einem Strategie-Rollenspiel, angesiedelt in einer Steampunk-Version von New York, 1928. Mit Mecha. Und Bunny Girls.

Update: Und zu Sakura Wars gibt’s einen widerlich-süßen Trailer. Guckst du hier:

Trotz Zuckerschock ist SW:SLML ein wirklich cleveres Spiel. Auch wenn “Dating-Sim” und Strategiespiel nicht wirklich kompatibel klingen, funktioniert es. In einer “Episode”, einen gut zwei Stunden langen Kapitel, verbringt man einen Großteil der Zeit damit, größere und kleine Dramen in Dialogen und kleineren Adventure-Passagen zu lösen, und im “Finale” eine jeden Episode gibt’s dann ordentlich Mecha-Gedresche. Der Witz an der Geschichte: Je mehr Sympathie man in den Adventure-Segmenten zwischen den einzelnen Charakteren aufbaut, umso besser schlagen sich besagte Charaktere später im Kampf. Ich hab mit knapp zwei Episoden grade mal die Oberfläche angeritzt, aber ich bin jetzt schon restlos begeistert. SW:SLML spielt sich wie ein interaktiver Anime. Dani mußte mich heute Abend fast schon gewaltsam von der Glotze fortzerren, so heftig hat das Spiel mich gepackt. Und DAS, liebe Freunde, ist schon seit längerem nicht mehr passiert. Respekt.