Im Zuge der fortschreitenden Diskussion über Fernseh-Pranger wie “Tatort Internet” oder der immer mal wieder hochschwappenden Debatte über gewalthaltige Spiele (das Label “Killerspiele” ist einfach falsch!) hab ich mir mal ein paar Gedanken gemacht. Die zentralen Punkte, die mich vewundern, sind folgende: Warum bildet sich der Staat ein, Eltern aus der Verantwortung entlassen zu müssen? Sind Eltern in den letzten 20 Jahren dümmer geworden? Und vor allen Dingen: War mein Elternhaus so viel anders/besser als das der anderen?

Immerhin wird ja in schöner Regelmäßigkeit an Gesetzesideen geschraubt, mit denen man böse Medien aus den Kinderzimmern verbannen kann. Nicht, daß es die nicht schon früher gegeben hat - die USK gibt’s ja immerhin schon seit 1994. Wenn sich die Eltern einfach mal die Zeit nehmen würden, sich mit ihren Kids zu beschäftigen, gäbe es viele der Probleme nicht und der Staat hätte keinen Grund, mit immer neuen, sinnfreien und drakonischeren Maßnahmen rumzumachen.

Wie im Intro bereits angerissen: Bei uns zu Hause gab es Ende der 80er den ersten C64 (OK, eigentlich einen C128er, but anyways…) nebst zwei voller Diskettenboxen. Nicht nur, daß sowohl mein Vater als auch meine Mutter wußten, wie man auf dem C64 Spiele startet und spielt, sie wußten auch erschreckend gut über den Inhalt unserer Diskettenboxen Bescheid, was sich durch das komplette Fehlen von Nazi- oder Sexspielchen, die in gebraucht gekauften Sammelboxen wie unserer nun mal unweigerlich aufgetaucht sind, manifestiert hat. Außerdem kam es oft genug vor, daß sich einer von ihnen einen ganzen Nachmittag am Wochenende zu uns gesetzt hat, um mal ein paar Runden “Kaiser” oder Fußball oder “Pit Stop” gegen uns zu daddeln. Ich krieg immer noch das kalte Gruseln, wenn ich daran denke, wie Mom meinen Bruder und mich bei “Kaiser” demoliert hat :-). Wir kamen uns deswegen keineswegs “überwacht” oder “bevormundet” vor, ganz im Gegenteil. Wir fanden es saucool, daß unsere Eltern unser Spielzeug so toll fanden und uns für voll genug nahmen, damit eigenverantwortlich umzugehen.

Das setzte sich auch beim Videogucken fort. Natürlich haben wir so ziemlich jedes “Masters-Of-The-Universe”-Video gesehen, welches unsere örtliche Videothek parat hatte, aber es gab auch genug “große” Actionfilme, die wir gucken durften - wenn unsere Eltern dabei waren. “Terminator”, “Alien 2″, “Highlander”, “Red Scorpion” - das war durchaus übliches Samstag-Nachmittags-Programm für uns. Dass unsere Eltern uns einschätzen konnten und nicht verantwortungslos waren, zeigte sich daran, daß mein Vater zum Beispiel nur mich aus dem Bett geholt hat, als damals auf dem ZDF der “Shogun”-Siebenteiler ausgestrahlt wurde, da der doch zum einen erheblich komplexer als auch teilweise “härter” als der typische Schwarzenegger-Flick war. Und sie haben uns immer wieder klar gemacht, daß das, was da auf der Mattscheibe flimmert, einfach nur Film ist und nicht die Realität widerspiegelt oder widerspiegeln KANN. Meine Eltern sind Baujahr 49 und 56 respektive, sie waren also Ende der 80er, in der “heißen Phase” 40 bzw. 33 Jahre alt. Paps war berufstätig, Mom war Hausfrau und beide hatten genug Zeit, sich zu kümmern. Und bevor jetzt der Eindruck entsteht, ich käme aus einer hochgebildeten, reichen Intellektuellenfamilie: Dem ist nicht so gewesen, meine Eltern sind ganz normale Leute. Es ging uns gut, aber es gab noch mehr als genug Luft nach oben. Deswegen auch einen gebrauchten C64 und keinen fabrikneuen Amiga :-)

Ich wage mal zu behaupten, daß mein Bruder und ich zu vernünftigen Erwachsenen geworden sind, obwohl wir einen Großteil unserer prägenden Jahre mit Actionfilmen und Computerspielen verbracht haben bzw. immer noch verbringen.

Je öfter ich die Pfeiffers oder die von und zu Guttenberg im Fernsehen rumtröten höre, daß es ja eine Sache des Gesetzgebers und nicht der Eltern sei, sich um das Seelenheil der Kinder zu kümmern, frage ich mich, was da schief läuft. War unsere Familie ein Einzelfall? Ist die Kluft zwischen den Generationen so groß geworden? Oder ist es den Eltern von heute einfach nur noch scheißegal, was aus ihrem Nachwuchs wird? Hat das Fernsehen die Leute schon so lethargisch und dumm gemacht, daß sie sich lieber vom Gesetzgeber eine Leine nach der anderen um den Hals legen lassen anstelle mal selbst ihren Denkapparat einzuschalten?

Ich weiß es nicht, aber diese Gedanken machen mir Angst. Man fühlt sich so furchtbar einsam und alt :-)