Die Entwickler der Section-8-Spiele (es sind derer mittlerweile zwei), Timegate Studios, können einem echt leid tun. Zeitgleich zur Veröffentlichung des ersten Section 8 kam Halo ODST auf den an Shootern nicht grade armen 360-Markt, jetzt muß sich Section 8 Prejudice mit Crysis 2 messen. Aber zwei Dinge hat Section 8, die Crysis komplett abgehen. Zum einen der Preisvorteil. Mit 1200 MS-Points ist S8P knappe 45 Euronen billiger als Crysis, und zum anderen funktioniert der Multiplayer von Section 8 um Längen besser als der von Crysis 2.

Aber von vorne. Bei Section 8 dreht sich alles um die namensgebende 8th Armored Infantry Division, eine Einheit von Weltallsoldaten, die sich, nur in fette Rüstungen gekleidet, aus dem Orbit hinter den feindlichen Linien abwerfen läßt, um nahezu unmögliche Missionen durchzuführen. Das Setting könnte generischer nicht sein, und auch die Optik erinnert an eine Kreuzung aus Unreal Tournament, Warhammer 40k minus dem Gothic-Charme und so ziemlich jedem SF-Military-Opus seit Gunhed. Seis drum. Was bei Section 8 alles rausreißt, ist die unglaublich gute Spielbarkeit.

Die Grundtechniken sind bekannt - mit der Knarre auf Feinde zielen und abdrücken. Aber: In Section 8 sind sowohl die Guten als auch die Bösen standardmäßig mit Jetpacks ausgestattet, was Feuergefechte sehr schnell und dynamisch werden läßt. Um den Mobilitätsvorteil der Jetpacks entgegenzuwirken, kann man bei Bedarf ein extrem genau zielendes Auto-Aim zuschalten - den legalen Aim-Bot, sozusagen. Und damit DAS nicht zu übermächtig wird, funktioniert das für knappe zweieinhalb bis drei Sekunden, bevor es sich wieder aufladen muß.
Als wäre das nicht schon genug, um alteingesessene Shooter-Spieler zu überraschen, kommt noch die Komponente der jederzeit anforderbaren “hot drops” dazu - hat man durch Abschüsse oder erledigte Aufgaben sogenannte Anforderungspunkte gesammelt, kann man sich vom Munidepot bis zum Kampfwalker oder Panzer direkt auf’s Schlachtfeld liefern lassen. Und es sollte nicht unerwähnt bleiben, daß die Körperpanzerungen und Waffen der Section 8-Soldaten enorm anpaßbar sind. Von verschiedenen Anzugsystemen über Munitionstypen, die verschiedene Statuseffekte verursachen, bis hin zu speziellen Werkzeugen, mit denen Verbündete geheilt oder Gegner beschädigt oder gehandicapped werden können, reicht die Bandbreite an Optionen, die über ein sehr großzügiges Level-Spektrum freigespielt werden kann. Dankenswerterweise kann man einen Gutteil der Sachen schon im Alleingang erlangen, indem man offline für abgeschlossene Story-Kapitel oder Botmatches Sterne einsammelt. Das richtig gute Zeug muß man natürlich online erleveln, aber auch hier geht Timegate einen erheblich intelligenteren Weg. Zum einen kann man schon mit zwei menschlichen Spielern im Koop auf XP spielen, zum anderen gibt’s endlich mal wieder Bots, die man zuschalten kann, wenn man keine Lust auf Matchmaking hat.

Der Umfang ist für einen Download-Only-Titel sehr beachtlich. Eine knapp sechs- bis achtstündige, als Tutorial ausgelegte Singleplayer-Story, dazu zwei umfangreiche Multiplayermodi mit bis zu 32 Spielern auf der Karte, dazu 16 Karten auf vier Planeten in verschiedenen Größen klingt schonmal prima. Kernstück des Multiplayer-Modus ist der sogenannte “Conquest”-Modus. Auf der Karte gibt’s bis zu drei strategisch wichtige Ziele, für deren Besitz es in regelmäßigen Abständen Siegespunkte gibt. Die Teams hauen sich also solange um die strategisch wichtigen Punkte, bis eins der Teams die 1000er-Marke erreicht hat. Soweit, so bekannt. Eine ganz neue Dynamik bekommt das Ganze dadurch, daß man, wie oben erwähnt, anstelle einfach auf der Karte zu erscheinen, aus dem Orbit abgeworfen wird und sich im Anflug sein Ziel frei wählen kann. Damit wäre der Unsitte des Spawn Campings (Gegner warten an bekannten Spawnpunkten und knallen frisch erschienene Spieler ab) vorgebeugt, aber natürlich können so auch ganz neue taktische Manöver durchgezogen werden. Logischerweise gibt’s gegen die Orbital-Abwürfte Gegenmaßnahmen in Form von Anti-Air-Geschütztürmen, aber diese sind meist mit den Systemen eines Kontrollpunktes verknüpft, so daß nur die Gegenseite davon betroffen ist (Ausnahmen, wie z.B. von Spielern angeforderte AA-Stellungen sind natürlich möglich und ärgerlich :))
Eine weitere Eigenheit sind die sogenannten DCMs, “Dynamic Combat Missions”, die im Verlauf einer jeden Conquest-Partie (und auch im Schwarm-/Horde-Modus) aktiviert werden. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl von Nebenmissionen, die zusätzlich zu ihren eigenen Siegpunkte-Belohnungen noch mächtige Boni wie einen schwer kaputtbaren NPC am Ende einer Eskortmission, extra Anforderungspunkte nach einer Sammel-/Bergungsmission oder gar einen neuen Stützpunkt einbringen können. Und oft genug entscheiden geschaffte oder vergeigte DCMs über den Ausgang einer Partie.

Der zweite, nicht minder interessante Modus nennt sich “Schwarm”. Hierbei handelt es sich um S8P’s Version des mittlerweile sehr beliebten “Horde”-Konzepts, in dem es darum geht, sein Team oder (wie hier) einen bestimmten Punkt vor einer immer mächtiger werdenden Gegnerhorde zu schützen. Hier bringt die Möglichkeit, sich nach und nach mit durch Kills erspielten Punkten neue Waffentürme oder Fahrzeuge auf’s Schlachtfeld zu holen, eine ganze Menge Laune. Neu ist das Konzept keineswegs, aber die Section-8-Variante macht richtig Spaß und bietet eine angenehme Alternative, wenn man sich nicht in die Conquest-Massenschlachten werfen möchte.

Fazit: Section 8 Prejudice ist ein fantastisches Spiel, an allen Ecken und Enden sinnvoll abgerundet, man hat zu keiner Zeit das Gefühl, daß hier was für den Download-Only-Markt gekappt wurde. Was man hier für umgerechnet 15 Euro geboten bekommt, wollen sich andere Publisher mit 60€ honorieren lassen. Klar, man muß natürlich hin und wieder online spielen, um alle Ausrüstungsteile zu bekommen, aber für Online-Muffel ist Section 8 nicht das richtige Spiel. Grade im Schwarm-Modus mit ein paar Freunden kommt richtig nostalgisches Flair auf. A propos “nostalgisch”: Erinnert sich nocht jemand außer mir an den grandiosen Battlesuit-Klassiker “Terra Nova - Strike Force Centauri” von Looking Glass? Section 8 erinnert mich mit seinen Orbit-Abwurf-Power-Armor-Troopern und der gewaltigen Flexibilität, was das Zusammenstellen der Ausrüstung angeht, immer wieder an diesen verschollenen PC-Klassiker. Und zwar auf angenehme Weise.

These were the days…