Heute eine kleine Indie-Game-Empfehlung.

Update: Himmel, ich sollte nachts um halb vier keine Blogposts mehr schreiben, die hier versammelten Typos sind ja peinlich…. :(

Wie spielerisch interessierte Menschen ja wissen, läßt Diablo III noch auf sich warten. Was also tut der hack- und lootsüchtige Zocker als Ersatzbefriedigung? Zum einen könnte man natürlich bei einem der mehr (Torchlight) oder weniger (Sacred-Serie) guten Klone anheuern und die Zeit bis zum D3-Release absitzen. Oder man nimmt eines der vielen Roguelikes zur Hand. Wir erinnern uns: In der Steinzeit der Computer war Grafik Luxus, und um möglichst viel Spiel in möglichst wenig Speicherplatz zu bekommen, erfanden findige Programmierer Mittel und Wege, aus reinen Ascii-Zeichen Grafik zu machen. Das sah dann z.B. so aus:


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Der klassische Kampf Held gegen Drache. Eines der ersten Spiele dieser Art hieß “Rogue”, ein anderes “Hack”. Ein Urururenkel dessen wiederum hört auf den Namen “NetHack” und gilt vielerorts als DAS Roguelike schlechthin. Allen “modernen” Roguelikes gemein ist - neben dem (fast) vollständigen Verzicht auf “klassische” Grafik - ein mehr oder minder tiefschürfendes Rollenspiel-Regelwerk. Außerdem ist fast allen Roguelikes gemein, daß sie recht schwer sind und üblicherweise mit “Permadeath”, also dem vollständigen Fehlen einer klassischen “Save anytime”-Funktion aufwarten.
Und aus den Roguelikes haben sich viele klassische Rollenspiele entwickelt. Die Ultima-Serie z.B. hatte in den ersten drei Inkarnationen den Charme eines leicht grafisch aufgemachten Roguelikes, und die Wizardry-Spiele verfrachteten das klassische Dungeon-Crawling eines Hack oder Rogue in die dritte Dimension. Aber auch moderne Spiele verneigen sich vor dem Urvater des Computer-Rollenspiels: Das klassische Diablo nämlich nahm viele der Zutaten der klassischen Roguelikes (wie die Zufallsdungeons), setzte ihm eine schicke Grafikmütze auf und wurde zum Megahit. Bevor sich der Kreis richtig schließt und ich zum eigentlichen Anliegen dieses Blog-Posts komme, hier nochmal eine kleine (unvollständige) Liste der Roguelikes, die man als Computer-Rollenspieler mal gezockt haben sollte. Allein schon, um auf der nächsten Party den anderen Geeks zu zeigen, wer hier der Chef ist :)

- Ancient Domains Of Mystery (oder kurz ADOM). Neben dem ehrwürdigen Nethack eines der cleversten Spiele dieser Gattung. Es gibt eine komplette Handlung, mehrere Endings und Spielspaß für Monate, wenn nicht sogar Jahre. Kann man unter www.adom.de umsonst bekommen.
- DooMRL (oder DooM - The Roguelike). Jeder kennt Doom. Das hier ist sozusagen eine Coverversion von Doom, inklusive Musik und Sounds. Neben dem Nostalgiefaktor hat DRL das actionlastigste Gameplay aller Roguelikes. Zu haben für umme bei http://doom.chaosforge.org/
- NetHack. Die Evolution von Hack und Urvater vieler “Alternativ-Versionen” wie SlashEm, Falcon’s Eye und anderen. Das Roguelike, welches den meisten Mainstream-Spielern bekannt sein dürfte. Ganz klassisches “mal eben rein in den Dungeon, Amulett von Yendor abgreifen und wieder raus aus dem Dungeon”-Gameplay, mit so spaßigen Charakterklassen wie dem Archäologen (mit Fedora und Peitsche) oder dem Touristen, der mit seiner Kamera die Monster blenden kann. Bei NetHack hat man eben nicht gekleckert, sondern geklotzt. Alles drin, sogar “the kitchen sink”. Zu haben für umme unter www.nethack.org
- Angband. Sowas wie der kleine Bruder von NetHack. Angband hat ein etabliertes Setting (nämlich Mittelerde) und fußt sehr stark auf dem Herrn der Ringe. Besonders cool finde ich neben dem HdR-Bezug auch die Tatsache, daß die Dungeons in Angband jedes Stockwerk bei jedem Neubesuch neu generieren (also nicht nur beim Spielstart, sondern auch wenn man zwischendurch schonmal besuchte Levels neu aufsucht). Kann zwar manchmal eine echte Todesfalle werden, erlaubt aber so fast unendliche Erforschungs-Orgien. Außerdem dürfte Angband dank seines gut dokumentierten Quellcodes eines der meistgemoddeten Roguelikes sein. Vanilla *band gibt’s für umme auf http://rephial.org/
- Dungeon Crawl Stone Soup: Linley’s Dungeon Crawl war in den 90ern ein heißer Kandidat auf den Titel “bestes Roguelike”, allerdings hatte der Programmierer irgendwann so keine rechte Lust mehr und das Spiel, welches mittlerweile eine beachtliche Fan-Community besaß, wäre versauert, wenn sich nicht ein paar Unverzagte daran gemacht hätten, es weiterzuentwickeln. Da sich die Weiterentwicklung doch ein wenig von der Urversion von Mr. Linley Heinzell unterschied, wurde es zu “Dungeon Crawl Stone Soup” erweitert. Im Gegensatz zu vielen anderen Roguelikes bietet Stone Soup nicht das übliche, an D&D angelehnte “Rasse+Klasse+Erfahrungspunkte”-Levelsystem, sondern spielt sich eher wie ein Elder-Scrolls-Spiel, es steigert sich, was man auch benutzt. Schlägt man viele Monster mit der Waffe, geht der Waffenskill hoch. Zaubert man viel, levelt der Magieskill. Außerdem hat Stone Soup eine großartige Mischung an Heldenrassen, die von den klassischen Elfen, Zwergen und Orks über Minotauren bis hin zu Untoten oder Chaos-Kreaturen reicht. Zu haben für umme unter http://crawl.develz.org/wordpress/
- Desktop Dungeons: Zu guter Letzt noch ein Tip für all diejenigen, die nicht ohne Grafik können. Desktop Dungeons greift auf viele Elemente des “klassischen” Roguelike zurück, dampft das Spielgeschehen eines Nethack, in dem man für einen kompletten Run schonmal eine bis zwei Wochen veranschlagen kann, aber in kleine, 10-15-Minuten-Happen ein. Ein Desktop-Dungeon-Spiel umfaßt einen bildschirmfüllenden Dungeon, der möglichst effizient von allen Bösewichten befreit werden muß. Auf dem Weg zum Boss findet man Gold, Ausrüstung, Zauber-Runen und oftmals den Tod. Unter http://www.desktopdungeons.net/ kann man sich die frühe Alpha-Version herunterladen oder den Entwicklern von QCF-Design zehn Dollar zustecken, um die Fertigstellung ihres wahnwitzigen Projektes zu erleichtern.

So… jetzt bin ich vor lauter Schwärmerei aber fast von meinem eigentlichen Anliegen abgekommen. Die dritte Option im Drama “Warten auf D3″ heißt “Din’s Curse” und ist das, was nach ungeschütztem Sex zwischen Diablo und NetHack herausgekommen wäre. Oder ein wenig weniger salopp formuliert: Din’s Curse ist ein Diablo-inspiriertes Action-Rollenspiel mit starken Roguelike-Einflüssen. Selbige machen sich schon bei der Heldenwahl bemerkbar. Konnte man bei Diablo grade mal drei, bei D2 immerhin aus sieben Klassen auswählen, so bietet Din’s Curse schlappe 141 mögliche Varianten an. Zugegeben, es gibt auch bei Onkel Din nur sieben Basis-Klassen, aber durch die Option, zwei Klassen zu einer “Hybrid-Klasse” zu mixen, steigen die Wahlmöglichkeiten ins Astronomische.

Aber mal wieder einen Schritt zurück. Der namensgebende Din ist der Gott der Ehre, der den Spielercharakter aufgrund seines ungöttlichen Lebenswandels zu seinem Sklaven macht und ihm aufträgt, den Menschen der Welt zu helfen. Deren Problem: Wie in Buffy oder eben dem klassischen Diablo bauen die Leute ihre Städte nämlich auf mal mehr, mal weniger tief in die Erde reichenden Höllenschlunden, was natürlich für die lokale Wirtschaft oder die Gesundheit der Bevölkerung nicht grade zuträglich ist. Also wandert Din’s Auserwählter also von einer Stadt zur anderen und darf den Mist ausbaden, der sich da anbahnt.

Und halleluja, wie’s abgeht. Gab es im ersten Diablo grade mal eine Handvoll Quests (in Diablo 2 immerhin schon 27), werden die Quests in Din’s Curse dynamisch generiert. Wie das klappen soll? Nur mal folgende Beispiele aus meiner aktuellen Spielsitzung. Ich bin unten im Dungeon, verkloppe grade fröhlich ein paar Monster, um genug Rippenknochen für den Bau eines Totems zu farmen. Plötzlich ploppt in meinem Chat-Fenster die Nachricht auf “Ray (armorsmith) is out of money and is starving!”. Also den nächsten Ausgang gesucht und in der Stadt nach dem Rechten gesehen. Ich kann dem Rüstungsschmied entweder ein paar Münzen zustecken oder ihm was von meinem Essen abgeben, damit er über die Runden kommt. Spannenderweise verwaltet das Spiel Ladenkapital und Privatvermögen für Händler-NPCs getrennt, wodurch solche Quests erst möglich werden. Würde ich ihm nix zu futtern geben, würde der Ärmste bald das Zeitliche segnen und ich hätte vorerst keinen Rüstungsschmied mehr in der Stadt, was meine Einkaufsmöglichkeiten natürlich einschränkt. Aber selbst der Tod eines derart wichtigen NPC ist nicht das Ende, die Chance besteht immerhin, daß ich im Dungeon durch Zufall einen neuen Rüstungsschmied finden könnte. Meistens sind diese NPCs allerdings von Monstern umgeben, was der ganzen Sache einen gewissen Zeitdruck verpaßt. Diese Dynamik gibt’s nicht nur für die Quests, nein, auch in der Dungeon-Fauna passiert ständig was. Im Gegensatz zu Diablo und Konsorten, in denen es immer “Du gegen alle anderen” heißt, sind sich die Monster in Din’s Curse nicht immer grün. Da hauen die Orks dann den Zombies auf die Mütze UND LEVELN DABEI. Da kommt es schon oft genug vor, daß in meinem Ereignis-Ticker die Nachricht erscheint “The Orc that killed the Zombie is now an Elite Orc”. Und wenn die Viecher zu weit aufsteigen, bekommen sie Namen und werden mit einem Mal der Fokus von wiederum neuen Quests. Dann möchte z.B. einer der Dorfbewohner, daß ich Gorfaust, den Elite-Orc umbringe, bevor der eine Monster-Horde in die Stadt führen kann. Die Stadt ist nämlich vor Unbill nicht sicher. Seien es Hungersnöte, Naturkatastrophen (ich hatte schon Überschwemmungen, Seuchen, Flüche und Tornados mit Blitz und Donner oder eben Monster-Angriffe. Wenn man Pech hat und nicht schnell genug nach oben zurück kommt, kann es durchaus passieren, daß eine marodierende Horde die Stadt überfallen und alle NPCs umgelegt hat. Und sollte das passieren, heißt es “Game Over”.

Aber in bester Roguelike-Tradition kann man auch in Din’s Curse sehr stark mit der Umgebung interagieren. Alte Ausrüstung muß man nicht zwingend verkaufen, man kann sie auch prima an Dorfbewohner weitergeben, damit die beim Monsterbesuch auch kämpfen können. Oder die Dorfbewohner bitten einen, doch eben ein paar Zutaten für zusätliche Verteidigungsanlagen zu holen. Sollte man machen, wenn das Dorf überleben soll. Und diese spielerischen Freiheiten gelten auch für das eigentliche Gameplay. Man kann tragende Säulen im Dungeon zerklopfen, um Monster unter der herunterkommenden Decke zu begraben. Man kann mit “flammenden” Waffen ganze Fässerbatterien anzünden, in der Hoffnung, daß sich unter den ganzen leeren Fässern auch ein paar Bomben befinden. Man kann leere Glasflaschen in den Dungeon mitnehmen und interessante Flüssigkeiten mitnehmen, um seiner Waffe exotische Statuseffekte zu verpassen.

Und dann gibt’s natürlich noch das von Diablo und Torchlight perfektionierte Hack’n'Slash-Gameplay. Auch wenn Din’s Curse nicht die optische Brillianz eines Torchlight hat, spielt es sich angenehm flüssig, es hat alle Komfortfunktionen der beiden Platzhirsche an Bord und toppt sie sogar in einigen Belangen. Die Auswahl an Loot ist unglaublich, und das nervige Identifizieren und Stadtportal-Rollen horten gehört auch der Vergangenheit an. Gegenstände werden auf Knopfdruck identifiziert (es dauert nur ca. drei Sekunden, in denen man allerdings komplett stillstehen muß) und Stadtportale findet man in jedem Dungeonlevel. Es gibt zwar immer nur eins pro Etage, aber für den absoluten Notfall hat der Held einen Einmal-Teleport dabei.

Wie man an meinem überschwenglichen Geschwafel merken dürfte, bin ich von Din’s Curse komplett begeistert. Es reichert die hinlängliche bekannte Diablo-Formel um einige neue (oder eigentlich eher alte) Ideen an und wirkt dadurch ungeheuer frisch. Und erwähnte ich eigentlich, daß es einen fantastischen Online-Koop OHNE SPIELERLIMIT gibt? Für Fans des Genre ein absolutes Must-Have. Ist für ein Indie-Spiel mit knapp 30 Dollar für Grundspiel plus Erweiterung recht happig, aber im Anbetracht der Tatsache, daß man hier eigentlich ein Endlos-Diablo bekommt, ein fairer Preis. Demo und Spiel-Download bei http://www.soldak.com/Dins-Curse/Overview.html