Nach der Ankündigung von Forza Motorsport 4 war ich nicht wirklich begeistert und hatte sogar überlegt, diese Iteration von Microsofts Autoporno links liegen zu lassen. Die Reviews kamen rein und priesen das Spiel über den grünen Klee und die Demo - vor allem der “Rivalen”-Modus - haben dann doch schon ein wenig Lust gemacht.

Ich bin so froh, zugeschlagen zu haben, denn Forza 4 ist sozusagen der Autohimmel auf der 360. Das Spiel macht eigentlich so ziemlich alles richtig, was man richtig machen kann. Die Karriere, bei Forza 3 noch extrem spröde und langweilig, flutscht einfach. Anstelle sich für drei bis fünf Events an eine Wagenklasse oder einen Wagentyp zu ketten, wird nach jedem Event fröhlich durchgemischt. Entweder wählt man aus den drei vorgegebenen Möglichkeiten, die sich am Fuhrpark oder dem gerade gewonnenen Auto orientieren, oder man wählt sich ein Auto aus der Garage aus und bekommt das passende Event dazu spendiert. Prima!
Der Rivalen-Modus, in ähnlicher Form schon durch das “Autolog”-Feature der letzten Need-For-Speed-Spiele bekannt, bietet eine coole Möglichkeit, sich mit seinen Freunden zu messen, ohne dabei zwangsläufig online sein zu müssen. Die Auswahl an Events ist auch hier üppig bemessen, und Turn 10 hat schon die erste Runde neuer Events rausgehauen, so daß hier für eine längere Zeit für Futter gesorgt ist.

Zwei kleine Besonderheiten möchte ich auf jeden Fall noch anmerken: Zum einen hat Forza 4 ENDLICh eine Importfunktion für Spielstände und Vinyl-Designs. Zwar bekommt man nicht den vollen Umfang seiner Forza-3-Garage, aber eine stattliche Anzahl an Dankeschön-Autos und -Geld machen den Einstieg ins Spiel sehr angenehm. Und Zugriff auf seine alten Vinyl-Muster ist natürlich eine feine Sache. Funktioniert wie angepriesen, auch wenn einige der Farben ein wenig off sind. Aber nichts, was mit ein wenig Gebastel im Paint Shop nicht wieder hinzukriegen ist.
Die zweite Nettigkeit, die mir an Forza 4 gut gefällt, ist der “Car Club”. Sozusagen Clan-Support für Forza, mit integrierten Highscorelisten für Clubmitglieder. Aber das Kronjuwel ist die Clubgarage, in der Clubmitglieder ihre selbstgetunten oder -bemalten Autos zur für Rivalen- oder Onlinerennen zur Verfügung stellen können. Ein nettes und absolut überfälliges Feature.

Für Langzeitmotivation ist in mehrfacher Hinsicht gesorgt. Die Karriere, auch wenn im direkten Vergleich zu Forza 3 enorm gestrafft, ist immer noch umfangreich ohne Ende. Nach einem Durchgang dürfte man nur einen Bruchteil der Events gesehen haben, denn in der Event-Liste hat jede Rennserie, wie damals in Forza 3 auch, zwischen drei bis fünf Events, verteilt über verschiedene Rennstrecken. Das alles abzuhaken dürfte so seine Zeit dauern. Ebenfalls zur Langzeitmotivation, zumindest für die Leute mit Sammeltrieb, dürften die Abzeichen und Titel beitragen. Für so ziemlich alles, von Fahrmanövern über Achievements über Aktionen im Tuning- oder Paintshop gibt es jetzt Abzeichen und Titel, mit denen man seine Forza-4-Visitenkarte dekorieren kann. Mehr Individualisierungsoptionen sind immer gut, vor allem, da man sie nicht per DLC nachkaufen muß (hallo, Gears!)

Dann gibt’s da noch das dezent überarbeitete Level- und Affinity-System. In Forza 4 verdient man, wie auch schon im Vorgänger, Erfahrungspunkte, die zum einen dem Fahrerlevel, zum anderen der Verbundenheit einem Autohersteller gegenüber angerechnet werden. Ein höherer Fahrerlevel wird mit einem neuen Auto aus einer Auswahl thematisch ähnlicher Kisten honoriert. Beachtenswert hierbei ist, daß diese Autos üblicherweise schon bis zum Maximum ihrer Klasse aufgemotzt sind und dadurch einen gewissen Vorteil dem “Von-Der-Stange-Modell” gegenüber besitzen.
Ein höherer Affinity-Wert bringt ebenfalls handfeste Boni mit sich. Die ersten vier Levels reduzieren die Preise für Tuningteile schrittweise auf 0, danach gibt’s pro Level richtig happige Credit-Boni. Ich habe jetzt z.B. eine Affinity von 11 mit Nissan, und der letzte Level-Aufstieg hat mir 75,000 Credits beschert - ungefähr das Dreifache, was ich für das eigentliche Rennen gewonnen hätte.

Aber was nützt ein Feature-Overkill, wenn das zugrundeliegende Spielprinzip nix taugt? Eben, nix. Aber auch hier überzeugt Forza 4 auf ganzer Linie. Bisher war ich ja immer ein beinharter Casual-Fahrer, lieber mehr Arcade als Sim, zumal ich kein Lenkrad (und keinen Platz dafür) habe. Forza 4 hat aus mir einen echten Assist-Muffel werden lassen. Das Handling der Autos ist einfach angenehm, egal ob es sich dabei um einen Kia cee’d handelt oder eine Dodge Viper. Nur bei den ganz, ganz bösen Supercars (wie dem Königsegg Agera) schalte ich dann schon mal TCS an, damit ich nicht beim Druck auf’s Gaspedal in die Leitplanke gebeamt werde, aber sonst fahre ich mit allen Optionen auf “Sim”. Und ich habe einen Heidenspaß damit.

Eine Sondernennung bekommt “Autovista”, der virtuelle Showroom von Forza 4. Genau sowas fand ich schon beim ersten Test Drive Unlimited genial - sich virtuell in seinen Superschlitten setzen und sich alles genau angucken oder sogar interaktiv “anfassen”. Ich hab kein Kinect und die Steuerung ist manchmal wabbeliger als unbedingt nötig, aber dafür ist die Detailverliebtheit, mit der hier die Autos seziert werden, absolut atemberaubend. Und die Sound-Schnipsel der startenden Motoren sind genau das richtige, um sämtliche Nachbarn nachts um zwei aus den Betten zu pusten. Einziger Wermutstropfen: Nicht jedes Auto im Spiel bekommt das Autovista-Treatment, und für meinen Geschmack sind ca. drei Ferraris zu viel drin, was aber durch die pointierten und schön schnodderigen Kommentare eines Top-Gear-Redakteurs wieder aufgewertet wird.

Alles perfekt also? Nee, auch in Forza 4 gibts einige Sachen, die mich zumindest irritieren. Zum einen finde ich reinweiße Rundenzeiten vor fast weißem Himmel suboptimal, zum anderen “spiegelt” mir der Asphalt in dieser Iteration zu sehr, was das Finden der Bremspunkte auf der Hilfslinie öfter als notwendig zu einem Glücksspiel werden läßt. Wo wir schon bei eitel Sonnenschein sind: Es gibt immer noch keine Wetterwechsel? Leute, das haben Bizarre vor gefühlten zwei Ewigkeiten in PGR 4 schon hingekriegt! Außerdem hätte ich nichts gegen die eine oder andere Variation zum Thema GT-Racing, z.B. eine “richtige” Off-Road-Strecke oder diese ganzen Formel-Irgendwas-Geschosse. Sind ja technisch gesehen auch Autos.
Die neue KI ist ein zweischneidiges Schwert. In der Karriere gibt’s nur noch eine Schwierigkeitsstufe, die ist aber bis jetzt angenehm ausbalanciert. Mit dem richtigen Auto fährt man denen problemlos davon - wenn sie einen denn lassen. Für meinen Geschmack blockt und rüpelt die KI zu viel, was oft genug zu heftigen (und eigentlich vermeidbaren) Schäden am Auto führt.

Am Umfang gibt’s nicht allzuviel zu mäkeln, höchstens die Streckenauswahl nutzt sich langsam wirklich ab. Es sind alle Strecken aus Forza 3 (minus New York) an Bord, zusätzlich gibt’s noch den Top Gear-Flugplatz, Indianapolis, den Infineon Raceway und die “Berner Alpen”, aber langsam kann ich Road Atlanta, Sunset Peninsula, Sebring oder Silverstone echt nicht mehr sehen. Wo ist Brands Hatch? Oder der Dubai-Kurs? Oder haben EA auch dafür die Exklusiv-Lizenz? :) EA haben wir es auch zu “verdanken”, daß es dieses Mal keine “echten” Porsches ins Spiel geschafft haben, als “Ersatzdroge” gibt’s ja immer noch RUF. Und auch sonst ist der Fuhrpark extrem gut ausgestattet, mit reichlich Firmen, von denen ich noch nie was gehört habe - oder könnte jemand spontan was über Mosler, Joss oder Spada Vettura referieren?

Die Technik ist solide bis grandios. Optisch bringt Forza 4 die schönsten Automodelle auf nach wie vor zu sterile Strecken, und Effekte wie Rauch und Dreckspritzer sind erheblich zu zahm. Das bringt NFS Shift einfach erheblich besser. Dafür punktet Forza 4 in der Sound-Abteilung - die Motorengeräusche sind wirklich feist geraten und klingen den Samples aus dem Autovista (bei den Karren, die ich vergleichen konnte) recht nah.
Musik war noch nie ein großer Punkt auf dem Forza-Waschzettel, und so angenehm unaufdringlich die Menü-Musik ist, umso nerviger ist das elektronische Grundrauschen in den Rennen. Entweder komplett abdrehen und dem Brüllen des Bugatti Veyron lauschen oder mit einer Playlist eigener Wahl unterfüttern.

Nach dem doch ernüchternden Dirt 3 das Rennspiel des Jahres. Keine Frage.