“Hi, Ich heiße Beast und habe heute meinen 1000. Orc gekillt!”

Thema heute: Der Herr der Ringe: Der Krieg Im Norden (oder War In The North).

Hierbei handelt es sich um das neueste Spiel der Snowblind Studios, die vor allem PS2-Zockern mit den durchweg hochklassigen Hack’n'Slays “Baldur’s Gate Dark Alliance” und “Champions Of Norrath” in Erinnerung geblieben sein dürften.

Die Erwähnung historischer Glanztaten ist hier übrigens nicht nur dem Wunsch geschuldet, mit famosem Fachwissen zu protzen, sondern auch eine gute Überleitung zum vorliegenden Spiel. “War In The North” erinnert nämlich frappierend an die gute, alte Zeit, auch wenn sich durch eine nah am Charakter klebende Kamera Vergleiche zu “Hunted: The Demon’s Forge” förmlich aufdrängen. Aber wo “Hunted” ein Actiongame mit Fantasy-Setting ist, handelt es sich bei “War…” um einen klassischen Hack’n'Slasher mit einem Hauch Action.

Worum gehts? Die Story ist eigentlich recht banal und dient eigentlich nur als Motivation, um die drei Helden (Zwergenkrieger, Elfenmagierin und Menschen-Ranger) durch mal mehr, mal weniger ausführlich erforschte Regionen des Tolkien-Universums zu scheuchen. Aber der Vollständigkeit halber:
Kurz bevor die Hobbits nach Bree kommen, wird ein naheliegender Außenposten der Ranger von den Nazgúl angegriffen und schwer verwüstet. Die drei Helden gehören zu den wenigen Überlebenden, beobachten, wie der Witch-King mit einem Finsterling namens Agandaúr konferiert und laufen prompt nach Bree, um Aragorn, dem Chef-Ranger Bericht zu erstatten. Der hat natürlich mit der baldigen Ankunft der Hobbits alle Hände voll zu tun und trägt dem dynamischen Heldentrio auf, eine nahegelegene Aufmarschzone für eine Orc-Armee auszukundschaften. Und von da an startet eine nette Parallelstory zu Tolkien’s Magnum Opus, in deren Verlauf die drei Helden immer mal wieder die Fährte der Fellowship kreuzen. Das Ganze ist erheblich cleverer und geschickter eingefädelt als in EA’s “The Third Age”, in dem man ebenfalls eine “Parallel-Fellowship” gespielt hat, die ohne ersichtlichen Grund den gleichen Weg genommen hat wie die Truppe um Frodo und Co. Es ist natürlich von vorneherein klar, wer hier der Fiesling ist, und großartige Plot Twists oder tiefschürfende Charakterzeichnungen sucht man bisher auch vergeblich, aber als Rahmen für fröhliches Monstermeucheln und Beute scheffeln reichts vollkommen, zumal das Tolkien-Universum mit viel Respekt behandelt wird.

Spielerisch bleiben Snowblind ihren Wurzeln absolut treu, auch wenn das Geschehen natürlich HD-kompatibel verpackt wird. Man haut und sticht sich durch teilweise beeindruckende dichte Monsterhorden, mischt gelegentlich eine Spezialattacke darunter und sammelt danach alles ein, was nicht niet- und nagelfest ist.
Das Kampfsystem ist ein wenig involvierter als noch zu PS2-Zeiten, wo einfaches Gehämmer auf die Quadrat-Taste zum Erfolg geführt hat. In “War In The North” gibt es einen Knopf für leichte Attacken und einen für harte Schläge. Verpaßt man einem Gegner genug leichte Treffer, erscheint eine Markierung über seinem Kopf, was bedeutet, daß er nun anfällig für einen schweren Treffer ist. Sitzt selbiger, geht der Charakter in den sogenannten “Heldenmodus” über, in dem er schneller zuhaut und mehr Schaden verursacht. Zudem gibt es mit steigender Trefferzahl mehr Erfahrungspunkte.
Zu den einfachen Nahkampfattacken gesellen sich noch Fernkampf- und Spezialattacken, die sich von Held zu Held unterschiedlich gestalten.
Der Wechsel zwischen Nah- und Fernkampf geht ähnlich flüssig von der Hand wie bei Hunted, d.h. man drückt den LT-Knopf, und er Charakter zückt Bogen, Armbrust oder Zauberstab, und ein Druck auf den RT löst dann den Schuß aus.
Alle Helden haben drei Talentbäume, die ihre jeweiligen Spezialmanöver verwalten. Der Ranger kann sich z.B. verstecken und seine Gegner aus dem Hinterhalt attackieren, der Zwerg kann einen Kriegsschrei loslassen, mit dem Angriffs-, Schadens- und Rüstungswerte der gesamten Party geboosted werden und die Elfenmagierin kann einen Schutzzauber hochziehen, der feindliche Geschosse abblockt und außerdem die darin geparkten Partymitglieder heilt. Es ist übrigens nicht festgelegt, daß z.B. der Ranger nur mit seinem Flitzebogen rumschießt - durch die Talentbäume läßt sich der Charakter ziemlich umfassend den Vorlieben des Spielers anpassen. Mein Ranger z.B. benutzt primär schicke Zweihandschwerter für den Nahkampf, obwohl es ebenso möglich gewesen wäre, ihn auf zwei Einhandwaffen oder Einhänder plus Schild zu skillen.

Ähnlich umfassend kommt auch das Item- und Inventarsystem daher. Es gibt sage und schreibe 12 Ausrüstungsplätze, in die ein Plethora an Ausrüstungsgegenständen versenkt werden kann. Und dankenswerterweise spiegelt sich die Ausrüstung auch direkt am Charaktermodell wieder. In bester Diablo-Tradition bietet “War In The North” Rüstungs-Sets, in der zu einem Set gehörige Rüstungsteile zusätzliche Boni freischalten, die über die Boni der jeweiligen Einzelteile hinausgehen. Ebenfalls von Diablo und Konsorten abgeguckt ist die Möglichkeit, Ausrüstung und Waffen mit sogenannten Elfstones zu bestücken, die wiederum bestimmte Boni (ganz klassisch: Feuerschaden für ein Schwert) für das gesockelte Ausrüstungsstück bereitstellen.

Die Technik ist solide, mit gelegentlichen Ausreißern nach oben. Einige der Locations sehen wirklich atemberaubend schön aus - sogar eine eigentlich strunzlangweilige Gegend wie ein Hochmoor kriegen die Designer schick hin. Und aus den Filmen bekannte Örtlichkeiten wie Rivendell kommen hier auch sehr gut rüber. Die Sound-Abmischung ist merkwürdig geraten. Stimmen und Musik sind zu leise, die Kampfeffekte brutzeln wirklich alles in Grund und Boden. Die (englische) Tonspur ist professionell, einige der bekannteren Figuren (Gandalf, Elrond) klingen ihren Film-Ebenbildern ziemlich ähnlich, aber die Einzeiler, die das Heldentrio im Kampf schmettern, nutzen sich leider extrem schnell ab.

Soweit, so gut. Die Basics sind definitiv auserlesen und funktionieren prächtig. Kleine Details wie die Option, seinen Charakter ein individuelles Gesicht zu geben oder ein sehr faires Beutesystem für alle Mitspieler im Multiplayer (öffnet ein Spieler eine Truhe, kriegen alle automatisch einen Teil der Beute) sorgen für konstantes Glücksgefühl. Ein paar Sachen sind halt nicht ganz optimal gelöst - zum einen sind die Levels wirklich extrem linear - man kann zwar geschaffte Levels immer wieder aufsuchen, um eventuelle Nebenmissionen anzugehen, aber ist man mal in einem Level, gehts nur vorwärts. Dann sollte man erwähnen, daß das Tolkien-Universum relativ wenig Variation in Sachen Gegnertypen hergibt - es gibt halt nur kleine Orcs, große Orcs, Trolle und Spinnen und Untote. Aber das stößt mir hier erstaunlicherweise nicht wirklich bitter auf. Ein wenig überrascht war ich, als ich nach der schicken Introsequenz zum ersten Mal der Helden ansichtig wurde - die Ähnlichkeit zu den Hauptdarstellern in Baldur’s Gate Dark Alliance ist doch frappierend. Außerdem finde ich die “Rollenverteilung” sehr klischeehaft. Aber hey, das ist Tolkien - der Begründer dieser Klischees.

Den Vogel schießt jedoch die Tatsache ab, daß ich vorm Spielstart nicht einen, nicht zwei oder drei, sondern sage und schreibe VIER DLC-Codes eintippen “durfte”. Sagt mal, Warner Bros.: Wäre es denn so schwierig, diesen ganzen DLC-Mist gleich auf die Disc zu packen? Oder wenn es schon als Flatterzettel beiliegen muß, warum nicht alle DLC-Inhalte gleich auf EINEN Code eindampfen? So langsam nervts echt.

Vom Papierkrieg mal abgesehen ist War In The North” eine Erinnerung daran, daß es fürs Spielerglück eigentlich nicht viel mehr braucht als ein gutes Kampfsystem, nie enden wollende Beuteberge und jede Menge Orcs. Und all das gibt’s hier in rauhen Mengen.