Tja, Leute, ich hab’s euch gesagt - das Auslagern bekannter japanischer Spiele-Serien an westliche Entwickler geht selten gut. Bestes Beispiel: Silent Hill Downpour, welches in der Fachpresse zwischen “interessante neue Richtung, aber kaum noch Silent Hill” und “totaler Griff ins Klo” pendelt. Was das mit Ridge Racer Unbounded (nach wie vor ein bekloppter Name) zu tun hat? Es hätte sooooooo viel schlimmer kommen können.

Zuerst die schlechte Nachricht für alle Ridge-Fans: Bye, bye Reiko. Der Postkarten-Look der Strecken ist ebenfalls vollkommen verschwunden, ebenso die kilometerlangen Drift-Orgien und auch DJ wurde in Pension geschickt. Bugbear, die Entwickler, die auch die ersten (guten) FlatOut-Spiele programmierten, haben so ziemlich alles weggenommen, was Ridge Racer bisher ausgemacht hat. Eigentlich hätte sich Namco auch eine neue Marke für dieses Spiel einfallen lassen können, denn bis auf Musik aus RR5, RR6 und RR7 und ein paar freischaltbare RR-Kisten erinnert eigentlich nix mehr an die Ridge-Spiele, wie wir Fans sie kennen und lieben. Dafür gibt’s jetzt ein neues, austauschbares “Wir sind der Undergr… die Unbounded, und du bist jetzt einer von uns”-Setting und eine rothaarige Leder-Schnitte namens Karen Shindo, die wohl gerne Batgirl geworden wäre. Dazu gesellt sich ein Rüpel-Racer, der gerne der große Bruder von Burnout und Split/Second geworden wäre.

Hat man diesen Schreck erstmal verdaut und ein paar Proberunden gegen die verdammt zügig fahrende, nur minimal gummibandende KI auf die Bretter gelegt, beruhigt sich der vom Nerd-Rage auf 200 gedrückte Puls wieder. Das Fahrverhalten ist definitiv anders als bisher von Ridge Racer gewohnt, aber um Klassen besser als alles, was EA in den letzten Jahren (und das schließt sowohl SHIFT als auch Hot Pursuit von Criterion mit ein) auf die Räder gestellt haben. Man muß sich nur daran gewöhnen, daß “Drift” jetzt seinen eigenen Knopf hat, ähnlich wie bei PGR 4. Die Autos haben angenehm Gewicht, sind flink unterwegs und zerschellen nicht - wie anfangs befürchtet -an jedem Randstein. Im Gegenteil: Man kann von kleinen Mauern über Stützpfeilern von Vordächern bis hin zu ganzen Hauswänden (später mehr) mitnehmen, ohne dabei zu crashen.
Ähnlich wie in den letzten Ridge-Iterationen sammelt man durch fleißiges Driften (aber auch Springen, Windschattenfahren oder Rempeln) Boost, den man dann in einer kurzen, aber dafür wirkungsvollen Eruption dazu benutzen kann, entweder einfach eine Portion Extra-Schub zu bekommen, Gegner von der Strecke zu pusten oder - und hier kommt der Split/Second-Vergleich - durch Hauswände, Billboards und andere “massive” Hindernisse zu bügeln. Das bringt nicht nur ein wenig Feuer auf den Bildschirm, meist verbergen sich hinter den zerstörbaren Objekten auch nützliche Abkürzungen, die oftmals den Unterschied zwischen Mittelfeld und Rennspitze ausmachen.

Man kann über Ridge Racer Unbounded meckern, wie man will, aber die Tatsache bleibt, daß es sich hier um ein extrem kompetent gemachtes, spaßiges Rennspiel handelt. Bugbear haben sich redlich Mühe gegeben, dem Spieler ordentlich was zu tun zu geben. Der Singleplayer-Teil besteht aus einer Kampagne in der fiktiven Stadt Shatter Bay, die in neun Distrikte aufgeteilt ist. In jedem Distrikt gibt es sieben Events, die durch hohe Punktzahlen freigeschaltet werden. Und für jedes Rennen gibt’s obendrein noch Sterne, die wiederum die spätere Distrikte freischalten. Für die Langzeitmotivation gibt es - natürlich - ein sowohl den Single- als auch Multiplayerpart umspannendes Level-System, welches jede Aktion im Rennen mit XP belohnt, die dann beim Level-Up gegen neue Autos und Streckenbauteile eingetauscht werden.

Die Renntypen sind bunt gemischt, vom traditionellen, Rüpel-freien Gebretter, über die “Domination” genannten explosiven Standardevents, dann gibt’s noch an Burnout erinnernde Road Rages, Drift-Rennen und - für mich die größte Überraschung - Stunt-Challenges, die heftigst an Trackmania erinnern. In den Stunt-Challenges wird ein mit Jumps, Loopings, Steilkurven und ähnlichen Kinkerlitzchen aufgemotzter Racetrack unter Zeitdruck abgefahren, was ein nicht zu unterschätzendes Suchtpotential entfaltet.

Ich erwähnte weiter oben “Streckenbauteile”, richtig? Genau, denn Ridge Racer Unbounded bietet einen beachtlichen Streckeneditor, mit dessen Hilfe es innerhalb von Minuten möglich ist, komplette Events zu kochen. Der “Basic Editor” kann selbst von einem ADHS-Schimpansen bedient werden: Streckenteil aussuchen und wie ein Puzzlestück an das nächste Anlegen. Leuchtet das Lämpchen grün, ist der Track OK, wenn nicht, muß noch was repariert werden. Rennstrecken-Nachschub ohne Ende. Wer will, kann sich im Advanced Editor austoben, in dem man dann pixelgenau Dekorationen, Sprungschanzen oder den Streckenverlauf komplett verändernde Mauern setzen kann. Eigentlich sind Namco dämlich, denn durch dieses Feature dürfte die Nachfrage nach Strecken-DLC faktisch gen Null gehen. Und feinerweise kann, darf und soll man seine Kreationen mit der (noch sehr überschaubaren) RR-Community teilen, was sich dann ähnlich spielt, wie die aus Blur (sniff) oder auch den letzten NFS-Teilen bekannten Autolog-Challenges. Der Erschaffer legt eine Rundenzeit/Punktzahl vor, die mit der Strecke hochgeladen wird, und man kann sich dann beim Antesten der Strecke mit ihm messen.

Technisch macht Unbounded einiges her. Auch wenn die Postkarten-Optik verschwunden ist, sehen die urbanen Strecken durchaus lecker aus, die Beleuchtung ist schick, und auch der Motorsound brüllt gehörig aus den Boxen. Der Soundtrack besteht zu einem Gutteil aus Musik von Ridge Racer 5, 6 und 7, beinhaltet allerdings auch jede Menge generisch dahinblubbernden Elektronik-Mist. Juhu zur eigenen Playlist. Ein Extralob bekommen sowohl die extra-leckeren Automodelle (wie üblich Fantasie-Schliten, die aber sehr nahe an bekannten Karren von Lamborghini, Aston oder Ford angelehnt sind) und das schicke HUD. Die Entwickler haben nämlich dreist bei Codemasters geklaut und viele relevante Infos direkt auf die Strecke bzw. den Streckenrand projiziert. Man stelle sich die Ladebildschirme von GRiD im laufenden Rennen vor, jederzeit aktualisiert. Hat zwei positive Nebeneffekte: Erstmal sieht man den Streckenverlauf ziemlich deutlich, ohne daß massiv leuchtende Pfeilwände auf Kurven o.ä. hinweisen sollten, und man wird nicht durch konstant ins Bild ploppende Schrift irritiert. Sehr elegant.

Klassische Multiplayer-Rennen gibt’s natürlich auch, in bis zu acht Mann großen Lobbies darf man sowohl die fertig gebauten In-Game-Tracks als auch Eigengewächse abrasen. Und auch wenn der Multiplayer ob des sehr kurzfristig anberaunten Launchtermins noch recht dünn besiedelt ist, macht das Rumheizen richtig Laune. In einer Achterlobby könnte das glatt Burnout-Feeling entwickeln.

Fazit: Blöder Name, blöde Markenstrategie. Würde das Spiel anders heißen, wäre der Empfang um Längen herzlicher. Ridge Racer Unbounded hat ein besseres Fahrverhalten als so ziemlich alle aktuellen Arcade-Racer auf dem Markt, einen Streckeneditor, den wirklich JEDER benutzen kann und man kann endlich wieder reihenweise Takedowns austeilen. What’s not to like?

Sorry Reiko, ich werde dich immer lieben, aber jetzt geh’ ich mal ein wenig mit Karen knattern…