Und für alle, die kein Internettisch sprechen: YA** steht für “yet another”, in diesem Kontext also “Yet another Zombie Game”. Und besagtes Zombiespiel heißt Lollipop Chainsaw, und es hat mir den Glauben an die Spieleindustrie zurückgegeben. Keine Film-Ambitionen! Keine Vorverkaufs-DLC-Orgien! Das Spiel ist - OMFG! - KEIN billiger Korridorshooter, und vor allem ist es eine glorreiche Huldigung der Zombie-Comics, wenn auch eher von der lustigen Sorte.

Aber mal ganz auf Anfang. Lollipop Chainsaw entstammt dem Hirn von Suda 51, der uns ja bekanntlich schon mit Perlen wie Mad World, No More Heroes oder erst kürzlich mit Shadows Of The Damned beglückt hat. Und wo “Suda 51″ draufsteht, ist zu 100% Irrsinn drin. Hauptperson des Spiels ist Juliet Starling. Sie ist Cheerleader an der San Romero Highschool, und ihr 18. Geburtstag fällt rein zufällig auf eine hübsche, kleine Zombiecalypse. Wie praktisch, daß Juliet aus einer Familie von Zombiejägern kommt und in ihrer Sporttasche immer das passende Gerät für Notfälle dabei hat - die titelgebende Kettensäge. Und zwar mit Herz-Designs auf dem Sägeblatt und einer schicken pinken Lackierung. Noch bei mir? Gut. Nach der Ankunft in der Schule ist der erste Punkt auf der Tageordnung, das Leben ihres Lovers, Nick (natürlich Quarterback des Footballteams und ein “all american boy”), zu retten. Nick hat sich nämlich ganz ritterlich zwischen Juliet und einen hinterrücks anpirschenden Zombie geworfen und dafür einen Happen aus seinem Unterarm verloren. Und wie in jedem Zombieflick oder -Comic muß die Infektion gestoppt werden. In diesem Fall mit einer Totalamputation des befallenen Gewebes. Danach geht’s dann gleich auf in die labyrinthischen Gänge der High School, um der Zombieplage auf den Grund zu gehen.

Ja, das fängt bekloppt an und geht gleich bekloppt weiter. Nick hat - neben seinen Fähigkeiten als Pausenclown - noch einen weiteren Nutzen. Er bringt, körperlos wie er ist, einige nützliche Spezialfähigkeiten mit sich. So kann Juliet ihn an ihrem Schlüsselband um sich herumschwingen, um zu grabbelwütige Zombies auf Abstand zu halten und zu betäuben, oder sie mißbraucht ihn als Wurfgeschoß oder als Power-Up-Spender. Ach ja, ich sollte vielleicht erwähnen, daß Juliet nicht nur ihre Kettensäge zum Zombieschnetzeln benutzt, sondern auch ihre Pom-Poms. Und das Kampfgeschehen wird neben den obligatorischen Blutfontänen von jeder Menge Glitter, Regenbogen, pinken Herzchen und Goldsternchen begleitet. Besagte Goldsternchen laden nach und nach eine Energieleiste auf, die, sobald gefüllt, den sogenannten “Star Soul Mode” freischaltet, in dem Juliets Kettensägenangriffe erhöhten Schaden anrichten und man so leichter die begehrten Zombie-Medallien sammeln kann. Denn für 3 oder mehr gleichzeitige Enthauptungen bekommt man einen sogenannten “Sparkle Hunter”-Bonus, in dem besagte Enthauptungen in einem wahren Glitzerfeuerwerk stattfinden und es Unmengen von Gold- und Platinmedallien hagelt. Selbige benötigt man für das Einkaufen im “chop2shop”, wo es neben neuen Kombo-Moves oder Attributsboostern auch neue Kostüme und Songs gibt, mit denen man das kurzweilige Zombiegeschredder untermalen kann.

Das grundliegende Kampfsystem kommt mit vier Knöpfen aus, einer hohen und niedrigen Kettensägenattacke (was ein Wort), einem Pom-Pom-Hieb und dem lebenswichtigen Ausweichsprung. Denn auch wenn das Gekloppe anfänglich noch sehr schlicht und basisch wirkt (kein Bayonetta-Ersatz hier, leider), steigt die Schwierigkeit merklich an und stupides Draufhauen endet meist mit dem Ableben der schnuckeligen Hauptdarstellerin.

Die Präsentation ist - zumindest optisch - großartig. Auch wenn das Spiel kein Grafikmonster ist, bringt die auf Comic getrimmte Cel-Shaded-Optik den angepeilten Look locker rüber, inklusive Ladebildschirmen oder Cut-Scenes, die aussehen, als seien sie auf grobem Papier gedruckt (wie frühe Condor Marvel-Comics o.ä.). Das Gegnerdesign flirtet elegant mit der Rockabilly- und Punk-Subkultur, mit einem Endboss, Zed, der direkt von einem The-Exploited-Cover gesprungen sein könnte. Und natürlich Vikke, dem Viking-Metal-Zombie, den man zu den Klängen von Amon Amarth von seinem Schiff kloppen muß. A propos “Audio”. Die englische Tonspur ist zum Schreien göttlich - Bei Juliet weiß man nie so genau, ob man mit oder über sie lachen muß. Ihre Wortgefechte mit dem entkörperten Nick an ihrem Gürtel sind ebenfalls zum Kringeln, und selbst die minimalsten Nebenrollen bringen grandiose Kalauer mit. Die Musik kommt - zumindest bei meiner PS3-Fassung - leider nicht so gut weg. Aus Mangel an Vergleichsmaterial kann ich nur sagen, daß der eigentlich hochkarätig bestückte Soundtrack fürchterlich klingt, wie extrem schlecht gerippte MP3’s. Andererseits wird im Spiel mehrfach darauf hingewiesen, daß es sich beim Soundtrack um MP3s handelt, also könnte das sogar tatsächlich Absicht sein. Aber schön klingt es nicht.

Abgesehen von der miesen Soundqualität der Musik und der etwas zickigen Kamera kann ich nur gute Worte über Lollipop Chainsaw verlieren. Der erste Durchgang ist mit knapp 6 Stunden zwar übermäßig knapp bemessen, aber nach diesen 6 Stunden hat man noch nicht alles gesehen, was das Spiel zu bieten hat. Auf höheren Schwierigkeitsgraden gibt’s neue Zombies zu vermöbeln und neue Geheimnisse zu entdecken, und das Spiel macht einfach soviel Spaß, daß man gleich nochmal zulangt. Ich bin jetzt in meiner dritten Runde und kann immer noch über den teilweise genialen, teilweise grenzdebilen Humor lachen.

Wer ein Herz für Zombies, Punkrock und Comics hat oder mal wieder ein richtig klassisches “Hirn aus, Zock an”-Spiel sucht, kann hier bedenkenlos zugreifen. Und ja, die DE-Version (USK16) ist tatsächlich uncut.