Dead Island GotY

Nachdem ich Diablo III so lange gezockt habe, bis ich jeden Pixel beim Vornamen kannte (und nebenbei mein erste “großes” Spiel mit 1000/1000 abgehakt habe), mußte neues Sammel- und Haudrauf-Futter her. Und da ich mittlerweile von mehreren Leute ziemlich regelmäßig angehauen wurde, warum ich immer noch kein Dead Island habe, bin ich weich geworden und hab mir die Zombie-Metzelei dann doch zugelegt.

Der erste CGI-Trailer war ja absolut umwerfend, doch es hat sich schnell herausgestellt, daß Dead Island eigentlich ein Vertreter der Borderlands-Schule an Gamedesign ist. Das heißt im Klartext, man klappert ein ständig länger werdendes Quest-Log ab, sammelt XP und Geld und Belohnungen ein und levelt einen von vier Charakteren hoch, bis er oder sie die ultimative Zombie-Killing-Maschine ist. Wenn man weiß, worauf man sich einläßt, eigentlich kar kein übler Aufhänger für einen launigen Zeitkiller.

Was ich nach guten 15 Stunden Spielzeit sagen kann ist folgendes: Dead Island ist verdammt ambitioniert und macht einige Sachen verdammt gut. Allerdings gibt’s für jeden Aha-Moment auch gleich einen Stirnpatsch-WTF-Moment dazu. Also dann, ohne bestimmte Gewichtung:

Dead Island nervt nicht mit unnötig viel Story und läßt lieber das Gameplay für sich sprechen. Es gibt für wichtige Quests einige nette Zwischensequenzen, ein bißchen Sprachausgabe, aber die meiste Zeit ist man mit sich und den Zombies alleine. Und wenn nicht gerade eine wilde Flut von Damage-Popups und EXP-Callouts über den Bildschirm purzelt, kommt die Zombie-Apokalypse schön dreckig und trostlos daher.

Dummerweise ist die Story, wenn sie mal aufploppt, nur besseres B-Movie-Futter. Irgendwie weiß jeder, daß der Spieler immun gegen Zombi-itis ist und verpassen auch keine Gelegenheit, einen immer wieder daran zu erinnern. Und einen Großteil der Zeit verbringt man mit erstaunlich ordinären Sammel- und Bring-Quests, während die anderen Überlebenden in ihrem Shelter sitzen und miteinander kuscheln. Ich will auch mit scharfen Bikini-Babes kuscheln!

Leider verheizt Dead Island sein größtes Potential gleich am Anfang - der Kontrast aus High-End Luxusresort und verstümmelten Leichen am Sandstrand kommt verdammt gut, wird aber viel zu schnell von den Zombie-Klischees erschlagen. Die Stadt, in die man im zweiten Akt geschickt wird, ist zwar herrlich heruntergeranzt, aber gleich erheblich mehr “hamma schon zigmal gesehen”. Nach Resident Evil 1-6 und Left For Dead und The Walking Dead ist eine Zed-verseuchte Stadt nun mal blutleerer als das Vampiropfer von vorgestern. Und auch den zombieverseuchten Dschungel hat man irgendwo (nämlich in Resi 5) schon aufregender gehabt.

Zombie-Apoc-Rollenspiele sind relativ selten, meist gibt’s halt einfach nur Geballer. Daher mal ein Lob an Dead Island. Zum einen spielen Feuerwaffen und Dauerfeuer anfänglich noch eine ziemlich kleine Rolle, man verbringt erstaunlich viel Zeit mit Nahkampf und Ressourcenmanagement. Außer State Of Decay kenne ich da nicht so viele Spiele, die sich dem so hingebungsvoll widmen. Der Nahkampf bringt dieses “kämpfe-um-dein-Leben”-Feeling herrlich rüber, zumal der Gewaltgrad teilweise ziemlich drastisch ist, mit herumfliegenden Gliedmaßen und gelegentlich zerplatzenden Zombies.

Nur schleicht sich leider auch viel “Videogame-Bullshit” in das Spieldesign von Dead Island ein. Mir ist klar, daß man das Ressourcenmanagement irgendwie drosseln muß, aber leider spielt Geld für meinen Geschmack eine viel zu große Rolle. Vom Gameplay-Standpunkt her gesehen macht es natürlich Sinn, dem Spieler eine Ressource an die Hand zu geben, mit der man ihn belohnen kann und die auch die Spielwelt befeuert. Aber vom erzählerischen Blickwinkel gesehen macht “Geld” einfach keinen Sinn. Die (Spiel)Welt ist de facto untergegangen, und man bezahlt Waffen-Upgrades und -Reperatur an UNBEMANNTEN Werkbänken mit Dollars. Really? Zumal Dead Island ja schon ein Ressourcensystem besitzt, welches über Geld hinausgeht. Für Waffen-Modifikationen braucht man Batterien, Metallteile, Klebeband, Nägel etc - warum nicht auch für Reperaturen? Im Kontext würde “Töte 10 Zeds für mich, dann kriegste ‘ne Kiste Nägel” erheblich mehr Sinn machen als “Töte 10 Zeds für mich, hier hasse 100 Dollars.”

In die gleiche Kerbe haut auch die Art und Weise, wie die Zombies platziert sind. Es kommt wirklich nur ganz selten vor, daß mehr als nur einer bis drei Zeds auf einmal um einen herum aktiv sind. Klar, durch den Fokus auf Nahkampf kann man keine L4D-Horden auf den Spieler loslassen, aber andererseits wäre die eine oder andere Horde abseits der geskripteten Sequenzen mal eine gute Abwechslung. Denn so setzt irgendwann Routine im Zombie-Wegkloppen ein. Man weiß, daß man ein bißchen strampeln muß, aber solange man nur mit den “normalen” Walkern zu tun hat, stellen diese kaum eine Bedrohung dar. Es kam bis jetzt nur sehr, sehr selten vor, daß ich einem Zombie aus dem Weg gehen mußte (meist waren das die großen Zwei-Meter-Schränke, die einem per Fausthieb auf die andere Seite des Raums befördern), in 95 Prozent der Fälle reicht es, einfach vorsichtig um sich zu kloppen. Klar, die Zeds leveln schön brav mit einem, aber wenn man kaum noch Angst hat, ist was falsch in der Zombiekalypse…

Davon abgesehen ist das Quest-System in Dead Island sehr angenehm und läßt einem genug Freiheiten zum Erforschen der Insel. Man verbringt einiges an Zeit damit, sich zurechtzufinden, und die gelegentlich zickige Wegfindung macht Dinge auch nicht gerade leichter, aber alles in allem passiert schon genug, um einen bei Laune zu halten.

Technisch gesehen reißt Dead Island leider keine Bäume aus. Auf den ersten Blick haut die Chrome Engine wunderschöne Ansichten raus, aber im Detail zerfasert der Eindruck und man bekommt das untrügliche Gefühl, daß hier Technik verbaut wurde, die der angestrebten Aufgabe eher schlecht als recht gewachsen ist. Über grobpixelige Schatten, niedrig aufgelöste Texturen oder potthäßliche Gesichter kann ich sogar hinwegsehen, aber klaffende Löcher in der Levelgeometrie (besonders beim Übergang zwischen Felsen), zweidimensionales Laub und mehr Clippingfehler als in einem First-Generation PSOne-Spiel trüben die Spielspaß so manches Mal. Zombies und Bäume ploppen durch fahrende Autos hindurch, man kann durchaus auch mal “durch” den Boden fallen und im Engine-Limbo rumschweben, und die manchmal zickige und dämlich mehrfachbelegte Steuerung sorgt für Stirnrunzeln. Warum z.B. liegen “Schnell-Heilung” und “Berserker-Modus” auf dem gleichen Knopf? Warum muß ich erst drei Sekunden lang den “Berserker-Knopf” festhalten, bevor es losgeht? Immerhin ist der Berserker-Modus die Smart Bomb, das letzte Aufbäumen bevor man endgültig dahingerafft wird - und das nervige Delay zwischen “Knopfdruck” und “HULK SMASH” ist leider oft genau die Zeit, die die Zeds brauchen, um einen endgültig zu killen.

Trotz all des Gemäkels hat Dead Island seinen Charme. Zombies wegkloppen macht Laune, Erfahrung und Beute sickern in einem angenehmen Tempo in die Spielertaschen, und wie gesagt - für jeden Stirnpatsch-Moment gibt’s auch ein anerkennendes “Aha!”

Für ‘nen Zwanni als Import kann man da nicht viel falsch machen, und im Viererpulk macht es - ähnlich wie Diablo III - einfach Laune. Einen verfaulten Daumen hoch.