Review: Mafia II

Der letzte wirklich “gehaltvolle” Blogpost ist ja schon wieder etwas älter, es wird also Zeit für was Neues.

Das Schöne am Kauf einer neuen Konsole ist ja, das man einen ganzen Schwung neuer Spiele zu einem recht günstigen Preis bekommt. Amazon haben mir z.B. zum Kauf meiner PS3 noch einen 20€-Gutschein zu einem PS3-Spiel dazugegeben (der ist für Assassin’s Creed Revelations draufgegangen), aber auch im Fachhandel meiner Wahl sind mir ein paar schöne Schnäppchen in die Finger gefallen, allen voran die Director’s-Cut-Version von Mafia II. Diese beinhaltet neben dem Hauptspiel noch sämtliche DLC-Packs, was einen ganzen Brocken an Inhalt für knappe 30€ darstellt.

Das Review beschränkt sich aber vorerst auf das Hauptspiel, von dem ich zu meiner Überraschung sehr angetan war, trotz einiger Macken.

Worum geht’s? Mafia II verfolgt ein gutes Dutzend Jahre im Leben eines gewissen Vito Scaletta, Sohn italienischer Einwanderer in einer fiktiven Version von New York. Für einen Schmuckdiebstahl wurde er vor die Wahl gestellt: Entweder als GI nach Europa gehen und die Nazis totschießen oder in den Knast. Vito entscheidet sich für die erste Alternative, erlebt die Invasion Siziliens aus nächster Nähe mit und kehrt als dekorierter Kriegsveteran nach Empire Bay zurück, wo er schon 24 Stunden nach seiner Ankunft wieder in zwielichtige Geschäfte verwickelt wird. Ich will die Story nicht groß spoilern, aber es dreht sich um den klassischen Gangster-Stoff, vom kleinen Licht zum vollwertigen Gangmitglied und natürlich dürfen diverse Verrate und schiefgelaufene Deals auch nicht fehlen. Das Einzige, was mir an der Story absolut nicht gefällt, ist das sehr abrupte und unbefriedigende Ende nach der letzten Mission, das schreit ja förmlich nach “Mafia III”. So fallengelassen wurde ich eigentlich nur am Ende von Assassin’s Creed Brotherhood…

Gameplay: Mafia sieht auf den ersten Blick aus wie eine weitere Wannabe-GTA-Sandbox. Dieser Eindruck täuscht allerdings, denn ähnlich wie in L.A. Noire gibt’s abseits der Story nämlich kaum etwas, was man in dieser Sandkiste anstellen könnte. Stattdessen führt einen das Spiel relativ zielstrebig von A nach B. Und leider muß ich dem Spiel ankreiden, daß den Entwicklern im letzten Drittel die Ideen ausgegangen sind und man eigentlich nur noch von einer riesigen Schießerei zur nächsten gepeitscht wird. Am besten gefällt mir Mafia II immer dann, wenn das Spiel das Tempo rausnimmt und eine Geschichte erzählt. In der ersten Mission nach Sizilien zum Beispiel kommt Vito, wie oben erwähnt, ja nach Hause zurück, trifft Leute von früher wieder, besucht seine Familie - das ist alles großartig inszeniert. Oder auch später, als er wegen des Diebstahls von Spritmarken in den Knast wandert, dreht das Spiel unglaublich auf - seit Riddick habe ich keinen tolleren Knast-Aufenthalt mehr gespielt. Das Autofahren macht - gerade dank des unglaublich guten Soundtracks - mehr Spaß als ich befürchtet hatte, und die Shooter-Mechanik läuft unter “ganz brauchbar”.

Jetzt aber zu den Dingen, die mir wirklich auf die Nerven gegangen sind.
Punkt 1: Die Shooter-Mechaniken laufen zwar unter “ganz brauchbar”, aber die Gegner-KI ist praktisch nicht-existent. Viele größere Schießereien, vor allem gegen Ende des Spiels, wirken extrem gescripted. Gegner stürmen von einem Spawnpunkt los, laufen ihren Weg ab und enden meist in der Deckung, ohne sich danach auch nur einen Millimeter zu bewegen. Klar, sie lugen dann mal nach draußen oder geben auch ein paar Schüsse ab, die mit fürchterlicher Präzision treffen, aber wenn man selbst in Deckung steht und stillhält, passiert da absolut nichts mehr. Besonders ärgerlich, wenn man auf der Minikarte sieht, daß sich einige Gegner in einem Hinterhalt befinden. Egal, was man auch anstellt, die lassen sich nicht daraus hervorlocken und man kassiert mit hoher Wahrscheinlichkeit üble Treffer, wenn man den von den Entwicklern geplanten Weg läuft.

Punkt 2: Garagentorgroße Löcher im Kampfsystem. Vito ist Kriegsveteran, aber kann mit seiner Puste nicht blind aus der Deckung feuern? Das hätte einige haarige Schießereien um LÄNGEN entschärfen können. Und bei den Deckungen ist auch nicht immer ganz klar, ob man jetzt vor Feindfeuer geschützt ist oder nicht. Es ist oft genug vorgekommen, daß mich Kugeln von vorne getroffen haben, obwohl ich komplett hinter einem Türrahmen oder einem anderen, ganzkörperhohen Deckungsobjekt gestanden habe.

Punkt 3: Das Verhalten der Polizei ist oft ziemlich unglaubwürdig. Man kann über soviele rote Ampeln rasen wie man will, das juckt die nicht. Übertritt man aber in Sichtweite eines Cops auch nur um zwei km/h das Tempolimit, hat man sofort einen heulenden Polizeiwagen am Arsch. Oder Autoklauen: Haut man schnell und zügig die Scheibe der Karre ein, klebt einem das ganze EBPD am Hintern, pult man aber - auch gerne in Sichtweite eines Cops - das Schloß auf, juckt das keinen. Komisch.

Und zu unguter Letzt: Die Checkpoints liegen unglaublich weit auseinander, gerade in den erwähnten Massenschlachten am Ende. Ich hab mich mehrfach eine gefühlte halbe Stunde durch die Gegner getastet, um nur von irgend einem blöd gespawnten Mistkerl mit einem(!) Schuß erledigt zu werden, und durfte die ganze Mission nochmal machen. Fällt nur in den letzten drei Missionen wirklich ins Gewicht, da aber umso mehr.

Warum habe ich’s trotzdem in einem Rutsch durchgespielt? Wegen der absolut grandiosen Inszenierung. Die Story stellt zwar keine Anspruchsrekorde auf, ist aber stringent und mitreißend erzählt, die audiovisuelle Präsentation gehört locker mit zum Besten, was ich in letzter Zeit zu sehen und zu hören bekommen habe, und von den obigen Meckerpunkten abgesehen macht das Spiel einfach einen Heidenspaß.

Technik: Zwei Dinge haben mich bei Mafia II aus dem Sessel geblasen, die Gesichter der Charaktere und die unglaubliche Akustik. Keine Ahnung, warum L.A. Noire als so bahnbrechend hingestellt wird, ich finde gerade und vor allem Cole Phelps’ Gesicht ziemlich platt und leblos, kein Vergleich zu den wirklich grandios gestalteten Hackfressen in Mafia II. Und über die Akustik könnte ich den ganzen Tag jauchzen. Jedes Auto hat, je nach Schaden und Tuningstufe, seinen eigenen satten Motorsound. Man hört beim Einsteigen das Knarren der Polster und der Federungen - ist die Karre kaputt genug, quietschen sogar die Türgelenke. Man hört wirklich jede Patronenhülse, und zwar auf jedem Bodenbelag! Die Waffen klingen unglaublich böse und krachig, selbst der pissige .38er Derringer klingt mordsgefährlich. Und die Sprachausgabe? Sahnehäubchen. Toll besetzte Charaktere, authentischer Slang und mit viel Enthusiasmus vorgetragener Text. Und die Musik erst! Vom Enddreißiger-Big-Band-Sound über wirklich fast jeden Rock’n'Roll-Klassiker bis hin zu einigen wirklich obskuren Bluesnummern gibt’s wirklich was zu hören. Ich hab teilweise einfach nur ein Auto geklaut und bin in der Stadt rumgegondelt, um Radio zu hören. Und im Gegensatz zu anderen Sandbox-Spielen gibt’s hier zwar nur drei Sender, aber diese haben echt für mehrere Stunden Programm, inklusive Werbung und - nettes Detail - die Geschehnisse im Spiel reflektierende Nachrichten. Irre.

Wer’s noch nicht gespielt hat, sollte es unbedingt nachholen. Die PS3-Platinum-Version hat alle DLCs an Bord und 30€ sind ein Angebot, dem man wirklich nicht “nein” sagen sollte. Wäre da nur nicht dieses besch….ne Ende. Und nein, die DLCs fähren die Story nicht fort, sondern sind nur drei Side-Stories.