Wer beim Begriff “D20″ oder “Rettungswurf” nur Bahnhof versteht, kann diesen Blog-Post getrost skippen, hier geht’s zur Abwechslung mal um Pen&Paper-Rollenspiele.

2008 war, aus Rollenspiel-technischer Sicht gesehen, ein schwarzes Jahr für mich. Wizards Of The Coast haben zu der Zeit nämlich die vierte Edition der Dungeons&Dragons-Regeln veröffentlicht. Und da man ja unbedingt Geld verdienen muß, waren die neuen Regeln komplett inkompatibel zu den bisher erschienenen - was an sich schon unerhört war. Selbst zu Zeiten von D&D 3 konnte man, mit ein wenig Kopfrechnen, Material aus dem seligen Ur-D&D weiterbenutzen. Aber nein, mit D&D 4 sollte alles viel besser werden. Ein super-ambitioniertes Online-Konzept wurde ausgebrütet (und mittlerweile wieder verworfen, soweit ich weiß), und die Regeln machten aus einem brauchbaren Fantasy-System ein glorifiziertes Strategiespiel mit MMO-Anleihen, inklusive “Builds”. Besonders auffällig war auch, wie sehr Wizards das neue System auf extreme Gewinnmaximierung ausgelegt hatten - gab es früher “nur” drei Kernbücher (Spieler-, Meister- und Monsterbuch), fiel schon beim ersten Blick in’s neue “Core Rulebook” auf, daß viele über die Jahre liebgewonnene Klassen und Rassen mysteriöserweise durch Abwesenheit glänzten. Ich hab damals schon geunkt, daß die ganzen fehlenden Bits später nachgereicht werden - und was fand ich kürzlich in meinem RPG-Newsletter? Das zweite Spielerhandbuch, mit all dem Kram, der bereits im ERSTEN hätte drin sein sollen. Und um D&D 4 richtig gut spielen zu können, braucht man noch einen ganzen Sack Miniaturen, Spielbretter, Zauberspruch- und Fähigkeitskarten bla bla bla. Die Zeiten des guten, alten einfachen Charakterzettels, der quasi alle Infos bereithält, waren endgültig vorbei.

Nach der Lektüre des D&D 4-Spielerhandbuchs (und einem langen, langen Blick auf die riesige Sammlung an D&D 3e-Material, die zum Teil noch ungespielt in meinem Schrank steht) haben Dani und ich uns gegen D&D 4 entschieden. Fiel mir sehr, sehr schwer, denn immerhin war D&D damals das erste System, das mir dieses Hobby nähergebracht hat und mich in der einen oder anderen Form seit den frühen Neunzigern begleitet hat.

Das könnte jetzt das Ende der Geschichte sein. Traurige Musik, Abspann. Ist es aber nicht, denn eine der (wenigen) genialen Ideen von Wizards während ihrer D&D-3-Phase war die sogenannte “Open Gaming License”, die es möglich machte, für D&D eigene Inhalte zu entwickeln und diese auch zu veröffentlichen. Und dank dieser OGL wurde das Erbe von D&D 3 von verschiedenen Firmen aufgegriffen und weitergetragen. Da gibt’s zum einen Green Ronin, die mit ihrem Mutants&Masterminds-Superhero-RPG meinen Horizont erweitert haben.

Und zum anderen haben wir da Paizo, ein Verlag, der zu D&D 3-Zeiten für die Veröffentlichung der traditionsreichen Magazine “Dragon” und “Dungeon” zuständig waren (die übrigens auch während des Wechsels von 3e zu 4e eingestampft wurden). Und Paizo haben sich die D&D 3-Regeln zur Brust genommen, einen ganzen Schwung Facelift reingepackt und das ganze als neues, eigenständiges System namens “Pathfinder” erneut wiederveröffentlicht. Spötter lästern gerne von “D&D 3.75″, denn im Kern handelt es sich dabei um eine leicht veränderte Version der D&D 3-Regeln. Aber die Änderungen fielen so weitreichend aus, daß man hier durchaus von der “richtigen” 4. Auflage der D&D-Regeln sprechen kann. Und das Allerbeste ist, daß die Pathfinder-Regeln zu 99% kompatibel mit dem ganzen Kram sind, den ich noch im Schrank habe. Eigentlich hatten Dani und ich nur vor, mal ein Probe-Abenteuer anzuzocken, und mit einem Mal sind wir schon wieder drei Wochen dabei. Da ich weiß, daß die Pen&Paper-Population meines Blogs recht überschaubar ist, gehe ich jetzt hier nicht allzusehr in die Tiefe (es sei denn, es wird danach verlangt). Es reicht zu sagen, daß das “Pathfinder”-System so ziemlich alle Nervigkeiten aus den D&D-3-Regeln raushaut. Kämpfe gehen noch flotter von der Hand, die Skill-Liste ist übersichtlicher und logischer aufgebaut, die einzelnen Heldenklassen sind erheblich flexibler und vom Power-Level her ausgeglichener (endlich sind Nahkämpfer nicht mehr die zweite Geige im Vergleich zu Zauberern!)… die Liste ließe sich noch ein ganzes Ende fortschreiben.

Wer den seligen 3.5er-Zeiten hinterhertrauert oder (wie wir) noch haufenweise Zeug im Schrank stehen hat, macht mit Pathfinder nix falsch. Mit dem “Core Rulebook” hat man schon alles, was man zum Spielen braucht, aber praktischerweise sollte man das “Advanced Players’ Guide” und das Bestiarium gleich mitnehmen, der Optionen halber.