Klar, Marillion haben kaum was mit Metal im traditionellen Sinne zu tun, außer, das beides auf E-Gitarren produziert wird. Aber zum einen hat Marillion’s Ex-Sänger Fish auf “Into The Electric Castle” von Ayreon mitgewirkt, und meines Erachtens werden Marillion viel zu oft auf ihren “großen” Single-Hit “Kayleigh” (vom grandiosen 85′er-Album “Misplaced Childhood”) reduziert. Dabei wird leider gerne vergessen, daß diese Band eine nunmehr fast 30jährige Karriere hinter sich hat, in der unzählige grandiose Alben veröffentlicht wurden.

Also, um’s schnell hinter uns zu bringen: Kayleigh.

Als Kind der Achtziger hab ich diesen Song natürlich auch oft und gerne gehört, es hat aber bis in die frühen Neunziger gedauert, bis ich endlich mal die komplette Platte gehört hatte. Zu der Zeit hat sich mein Horizont explosionsartig erweitert, vom Schweden-Tod der Marke Dismember bis zu den verzauberten Klängen einer Band wie Clannad, und da paßten Marillion wunderbar rein. Die zweite Platte, die ich von dieser Band entdeckt habe, war die damals taufrische “Holidays in Eden”, die nicht nur mit einem neuen Sänger (Steve Hogarth), sondern auch einer deutlichen Kurskorrektur, weg vom Genesis-lastigen Prog, hin zum eher einfachen Rock darstellte. Nichtsdestotrotz ist “Holidays In Eden” ein Ohrwurm-Monster sondersgleichen, was man wunderbar am Titeltrack oder an der Single “Cover My Eyes” festmachen kann.

Here we go:

Trotz aller Eingängigkeit haben Marillion nie auf billige Popsongs geschaut, im Gegenteil - selbst auf “Holidays In Eden” gibt’s einen dreiteiligen Prog-Monstertrack in Zehn-Minuten-Bereich. Und das ‘94-Album “Brave” ist ein unheimlich sperriges, vertracktes Monster geworden, das weniger von Ohrwürmern als von einer unglaublich intensiv-verzweifelten Atmosphäre lebt.

Da ich eigentlich eher ein Fan der Fish-Ära (also von ‘79 bis ‘88) bin, wurde mir das dann ab “Afraid Of Sunlight” (1995), auf dem die Band einen Schlenker in Richtung Alternative-Rock machte, doch zuviel, und ich hab Marillion eine ziemlich lange Zeit aus den Augen verloren und mich nur durch den Backkatalog der Band gearbeitet, was mir Wunderwerke wie “Fugazi”, “Clutching At Straws” oder das Hogarth-Debüt “Season’s End” näherbrachte.

Nach “Radiaton” (1998) verloren Marillion dann noch ihren Plattenvertrag bei EMI und wurden zu einer der ersten Bands, die ihre Musik ausschließlich über das Internet vertrieben. Sie gingen sogar so weit, sich ihre Platten von ihren Fans vorfinanzieren zu lassen. Ein mutiger Schritt, auch wenn ich mit den Platten dieser Zeit nicht allzuviel anfangen konnte.

Mein Interesse an der Band wurde durch zwei ziemlich zeitnahe Ereignisse wieder angefacht. Zum einen durch ein glühendes Review der aktuellen “Happiness is the Road”-Doppel-CD in meiner Lieblings-Krach-Postille “Rock Hard”, zum anderen durch die Veröffentlichung von “Whatever is Wrong With You” als Rock-Band-Track. Und da ich mich inzwischen an weiteren Prog-Bands wie Porcupine Tree (nächste Woche hier zu lesen) und Muse gewöhnt hatte, war der Schritt zurück zu Marillion nicht so groß. Jetzt höre ich mich langsam rückwärts durch den Kram, der mir vor ein paar Jahren noch zu komisch vorgekommen ist und entdecke, daß trotz aller Experimente immer noch die gleichen drei Elemente in der Musik von Marillion zu finden sind, die mich schon damals umgehauen haben. Zum einen der unglaubliche Gesang (egal ob jetzt Fish oder Hogarth), die herrlich sphärisch klingenden Gitarren und unglaubliche Melodien.

Als Einstieg in den Marillion-Kosmos sei hier erstmal die “A Singles Compilation 1982-1992″ Best-Of empfohlen. Darauf finden sich jede Menge Songs, die sowohl wunderbar die Fish- als auch die frühe Hogarth-Ära dokumentieren und Lust auf mehr machen.

Bedingungslos empfehlen kann ich auch alle vier Alben mit Fish (Script For A Jesters’ Tear, Fugazi, Misplaced Childhood und Clutching At Straws), und die ersten drei Alben mit Steve Hogarth (Season’s End, Holidays In Eden und Brave). Alles was danach kommt, zählt eher zur Kategorie “Gewöhnungsbedürftig”.

Die komplette, sehr umfangreiche Diskographie findet man im Wikipedia-Artikel zur Band.