“Gut, daß wir uns unterhalten haben, Sam.”

Das wird man in Splinter Cell Conviction nicht zu hören bekommen, denn Sam Fisher ist nämlich sehr, sehr wütend. Die Samthandschuhe sind diesmal zuhause geblieben, heute gibt’s die grobe Kelle. Drei Jahre sind seit “Double Agent” vergangen, und Sam ist in der Versenkung verschwunden - bis er plötzlich einen Anruf einer ehemaligen Mitarbeiterin bekommt, die ihm mitteilt, daß seine Tochter, die er für tot hält, womöglich gar nicht tot ist. Damit beginnt eine Story, die als persönlicher Rachefeldzug beginnt und - wie bei Clancy in letzter Zeit anscheinend üblich - im Weißen Haus endet. Ich will jetzt hier gar nicht zu weit vorgreifen oder spoilern: Die Story ist gut erzählt, der Plot Twist in der Mitte stellt einiges auf den Kopf, aber das Ende ist schwach. Dennoch hat es SC:C geschafft, mich die ganze Zeit über an’s Joypad zu ketten, und das ist schon ein großes Lob.

Grafisch hat sich im Vergleich zu den vorherigen Teilen der Serie nicht viel getan - die Licht- und Schatteneffekte sind nach wie vor großartig und die Animationen von Sam sind butterweich. Dafür wird man in den Außenlevels mit häßlicher Vegetation gequält. Einige der Büsche und Bäume erinnern sogar an die Frühzeit der 3D-Beschleuniger, mit minimaler Polygonzahl und übereinandergeklatschten Texturen. Sei’s drum, ein Großteil des Spiels findet eh in der Variation des Themas “Korridor” statt. Ein netter Touch ist in meinen Augen die neue Herangehensweise an das aus den früheren Teilen bekannte “Stealth Meter”. Ist Sam für Gegner nicht sichtbar, schaltet das Bild von Farbe auf Schwarz/Weiß. Mal abgesehen, daß es im Dunkeln manchmal nicht ganz ersichtlich ist, ob man jetzt tatsächlich “unsichtbar” ist oder nicht, eine elegante Lösung.

Die Soundkulisse ist unaufdringlich, aber auch leise Töne kann man grandios inszenieren. Hier hat mir besonders der Soundtrack gefallen, der mit von kaum wahrnehmbaren Sequenzer-Getucker bis zu voll aufgedrehten orchestralen Passagen eine fantastische Dynamik bietet. Ist man leise unterwegs, gibt’s kaum was zu hören, sobald allerdings die Knarren sprechen, wird aufgedreht. Aber auch mit fortschreitender Spieldauer ändert sich die Musik - grade die letzten paar Meter zum Weißen Haus sind musikalisch fantastisch untermalt und spiegeln perfekt den vermutlichen Gefühlszustand von Onkel Sam wieder.

Die Sprachausgabe ist ein zweischneidiges Schwert. Sämtliche Hauptcharaktere, ganz besonders Sam, liefern hier absolute hochklassige Arbeit ab. Die Standard-Gegner jedoch haben leider ein ziemlich begrenztes Vokabular - und exakt einen Sprecher. Es ist natürlich nützlich zu hören, wie sich die Soldaten den vermeintlichen Aufenthaltsort von Sam zurufen - aber gegen Ende nerven die ewig gleichen Phrasen. Außerdem: So cool es auch ist, wenn die Gegner Referenzen an frühere Levels einbauen (”It won’t be like at the Airfield, Fisher!”) - wie können die das wissen? Ich hab doch schließlich jeden einzelnen von denen umgelegt… *kopfkratz*

Womit wir beim Herzstück des Spiels angekommen sind - dem Gameplay. Und wow, was ist denn hier passiert? Ich habe mit Ausnahme von Double Agent jeden bisherigen Splinter-Cell-Teil zum Großteil durchgezockt (Bei Double Agent bin ich nicht über’s Tutorial hinaus, hust hust*) und bin angenehm angetan, wie sich das Gameplay gewandelt hat, ohne dabei die Grundfesten umzustoßen. Im Kern ist Splinter Cell Conviction natürlich immer noch immer ein Stealth-Spiel, aber das ledige “drei Alarme und es ist vorbei, Sam!” ist gottseidank den Weg des Dodo gegangen und es wird auch nicht vermißt. Die größte Neuerung ist jedoch das viel diskutierte “Mark & Execute”-Feature. Ähnlich wie die Rainbows in Vegas kann Sam jetzt Gegner markieren und - sofern er einen Gegner im Nahkampf auf die Bretter geschickt hat - bis zu vier von ihnen in einem elegant animierten Kugelregen von den Beinen holen. Im Vorfeld wurde ja heiß darüber diskutiert, daß das ja nicht wirklich stealthy sein würde und außerdem würde das ja das Gameplay total vereinfachen. Blödsinn. Das einzige, was sich geändert hat, ist die Herangehensweise. Jetzt sucht man viel stärker nach isoliert stehenden Gegnern, damit man sich seinen M&E abholen kann, und zum anderen wird man durch das drastisch erhöhte Gegneraufkommen fast dazu genötigt, “Mark & Execute” oft einzusetzen. Trotzdem verkommt Splinter Cell nie zu einem Run&Gun-Geballer, denn wird man erst einmal entdeckt, hat man sich schneller eine Bleivergiftung eingefangen, als man “Star-Spangled Banner” singen kann. Die Gegner sind da echt gnadenlos und man ist innerhalb weniger Augenblicke umstellt und durchsiebt. Daher: Immer schön im Schatten bleiben, isolierte Gegner ausknocken und die anderen per “Mark & Execute” aus dem Hinterhalt wegputzen. Dank einer erstaunlich gut funktionierenden KI macht es einen Heidenspaß, sich ein Katz- und Maus-Spiel mit den Widersachern zu leisten. Ich bin schon mehrmals bös überrascht worden, wenn die KI eine übersehene Route genutzt hat, um mir in den Rücken zu fallen, und durch die standardmäßig an den Knarren der Gegner befestigen Taschenlampen gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Cool.

Ich hab in diversen Reviews gehört, daß Conviction sich zu sehr auf diese Mechaniken verläßt und eine gewisse Monotonie einsetzen würde. Dem kann ich nicht ganz zustimmen. Klar, man hat schon relativ bald sein gesamte Toolset zusammen und muß sich dann nur noch mit variablen Umgebungsbedingungen wie Tageslicht, Zeitdruck oder speziellen Gegnern herumärgern. Aber die Levelgestaltung mit (meist) viel Raum zum Manövrieren und die Möglichkeit, seine eigenen Strategien auszuknobeln, haben mich die Single-Player-Story in mehr oder minder einem Rutsch durchfetzen lassen. Und als Sahnehäubchen gibt es noch einen ganzen Batzen Karten, die man entweder solo oder im Co-Op durchheizen kann, quasi noch mehr Sandkästen, die mit Blei und umgelegten Gegnern zu füllen sind und die den Wiederspielwert erhöhen. Die Story hab ich auf “Normal” in knapp zwei Tagen durchgehabt, Nettospielzeit etwas an die 16 Stunden. Darin inbegriffen sind allerdings teilweise dutzendfache Wiederholungen gewisser Passagen (ich sag nur “Laser-Barrieren!”). Aber zum Budget-Preis habe ich definitiv nichts zu meckern und werde Conviction in meine “Positive Überraschungen 2010″-Charts mit aufnehmen.

Sondermann, wie stehts? Koop-Schleichen gefällig?