Trotz meines erhöhten Arbeitsaufkommens - wer hätte gedacht, daß ein Patreon so viel Arbeit ist? - habe ich es tatsächlich geschafft, eine Handvoll Videospiele zu zocken. Und ich hab’s ebenfalls geschafft, eine ganze Menge Gurken zu vermeiden.

Mein Spiel des Jahres ist Bloodstained - Ritual of the Night
Keine großartige Überraschung. Ich bin ein riesiger Castlevania-Fan und Symphony of the Night (nebst diverser Nachfolger uns Spin-Offs) ist eins meiner absoluten Top-5-Alltime-Faves. Als vor ein paar Jahren dann Koji Igarashi seinen Hut bei Konami nahm und auf Kickstarter ankündigte, einen Nachfolger zu SotN zu machen, ging ich natürlich richtig steil. Hat dann auch nur knapp vier Jahre gedauert. Das Ergebnis - zumindest in der PS4-Version - entspricht dann auch meinen Erwartungen. Ein riesiges, nichtlinear erforchbares Gemäuer, hunderte von Waffen und Gegnern, dazu ein absoluter Killer-Soundtrack - oh yeah, baby! Allerdings werde ich wohl nicht wie bei SoTN jede verfügbare Version kaufen, denn die für die Nintendo Switch ist wohl ziemlicher Käse weil das für den Port verantwortliche Team nix auf die Reihe bekommen hat. Ich hab’s jetzt schon dreimal durchgerockt und warte nun auf die versprochenen Zusatzinhalte. Hoffentlich nicht weitere vier Jahre.

Die größten Überraschungen 2019 hat ausgerechnet EA beschert. Und ich rede nicht von Anthem. :)

Überraschung #1: Das aktuelle Need For Speed (Heat) ist erstaunlich großartig. Mit ein paar kleinen Abstrichen. Erstens ist die Musik totale Grütze. Ich hab ja nix gegen Hip Hop (hab mir dieses Jahr sogar “Straight Outta Compton” and “Enter The Wu-Tang (36 Chambers)” gekauft, um ein paar Lücken in der Plattensammlung zu stopfen), aber der beschissen produzierte Latino-Crap nervt. Hurra für den PS4-Media-Player. Außerdem ist die Online-Funktion ein wenig… temperamentvoll. Wir reden hier von Mogel-Schutz aus der Hölle. Das Spiel versucht, einen Online-Spielstand anzulegen aber wenn der sich vom Offline-Spielstand unterscheided, wird der Offline-Spielstand überschrieben, was unter Umständen zum Verlust von Geld und Autos führt. Daher sollte man NFS Heat beim ersten Start die Auto-Log-In-Rechte entziehen und das Ding strikt solo rocken. Mag für manche ein Dealbreaker sein, ich find’s vollkommen vertretbar.

NFS Heat ist eine Rückkehr zur “Underground”-Ära, in vielerlei Hinsicht. Es gibt keine Loot-Boxen, keine Zufalls-Roulette-Idiotie. Stattdessen eine klassische Racer-vs.-Cops-Geschichte und eine Zweiteilung des Spielgeschehens in Tag und Nacht. Tagsüber nimmt man an sanktionierten Renne statt und verdient Kohle, die man dann in Autos und Tuning-Teile steckt. Nachts gibt’s die allseits geliebten illegalen Rennen plus Verfolgungsjagden mit den hyper-aggressiven Cops. Hier gewinnt man “Rep” - oder XP - welche man zum Freischalten von besseren Karren und Tuning-Teilen braucht.

Ich finde diese Zweiteilung fantastisch. Tagsüber kann man relativ entspannt Kohle zusammenfahren, um auf das nächste der über 100(!) Autos zu sparen, ohne daß einem ständig die Cops am Arsch hängen, während die Nacht pures Adrenalin (und mitunter auch Stress pur) ist. Man kann größtenteils frei entscheiden, wann man vom einen Modus zum nächsten wechselt. Events sind durch Rep-Levels und das Power-Level des Autos abgeriegelt so daß man immer genau weiß, ob und wann man noch ein wenig Rep erspielen muß.

Einige Kritiker bemängelten die relativ dünne Auswahl an Event-Typen, aber für einen Arcade-Racer bin ich mit Sprint, Rundkurs, Drift und Off-Road eigentlich bestens bedient. Autos haben ähnlich wie bei Ubisoft’s “The Crew” diverse Steckplätze für Upgrades, die sich spürbar auf Handling und Geschwindigkeit auswirken. Außerdem erhöhen sie das Auto-Level, welches als Zulassungsvoraussetzung für diverse Events dient. Außerdem - und das ist leicht ärgerlich - dient das Auto-Level wohl auch als “Auto-Gewinn-Schalter” gegen die KI. Sollte das Auto auch nur einen Punkt unterhalb der Anforderungen liegen, fährt die KI wie ein absoluter Henker und man kommt (auf Normal) nur mit Mühe in die vorderen Ränge. Sobald das Auto die Schwelle überschritten hat, läßt die KI schlagartig nach - selbst wenn man in einem 220-er-Event mit einem 221-er Auto aufschlägt.

Die Auto-Liste ist eine echte Überraschung. Die Palette reicht von aktuellen Flitzern wie 2019-er Mustangs oder BMWs zu klassischen Traumautos wie dem Ferrari Testarossa oder Lamborghini Countach. Es gibt sogar einen ‘69er VW Käfer (den ich in meinem aktuellen Spiel zu einem Porsche-Killer aufgemotzt habe). Zusammen mit einer Handvoll Autos, deren Freischaltung an Trophies gekoppelt ist, gibt’s knapp 120 Karren, die vom American Muscle über Euro-Schlitten bis hin zu den üblichen Japano-Verdächtigen (Skylines, Evos, 250Zs, RX7) so ziemlich alles enthält, was einem Auto-Fan wohlige Gefühle beschert. Neben den Performance-Parts, die tatsächlich die Stats der Karre beeinflussen, gibt’s natürlich auch einen optischen Baukasten mit einer Fülle an Teilen, die mich angenehm an Midnight Club L.A. erinnert. Nicht alle Autos sind extrem modifizierbar (gerade die Hypercars sind auf Spiegel und Felgen reduziert), aber viele der Klassiker kann man mit Widebodies, Hauben, Flügeln und Schürzen bis zur Unkenntlichkeit umbügeln. Dazu noch Spezialisten-Kram wie Auspuff-Tuning (welches man wirklich gut röhren hört) oder Fahrwerks-Gemache (Tieferlegen, Radneigung und so Zeug) und ein Livery-Editor, der dem von Forza erschreckend nahe kommt - und man kann sich in seinen automobilen Fantasien ergehen.

Das Fahrgefühl ist angenehm differenziert. Standardmäßig ist das Spiel auf “tap to drift” ausgelegt, aber mit der richtigen Tuning-Hardware kann man problemlos reines Grip-Racing fahren, Kurvenscheitel bügeln und den ganzen Drift-Mist hinter sich lassen. Leider gibt’s auch hier wieder eine extra-Fahrphysik für die Drift-Events. Ich hätte es besser gefunden wenn ähnlich wie bei GRiD damals die normale Physik-Engine benutzt worden wäre. Aber egal, das ist halt für die Noobs. :)

Alles in allem ein echter Spaßbringer, in den man locker 50 bis 60 Stunden packen kann, ohne sich zu langweilen.

Überraschung #2: Jedi Fallen Order. Ja, noch ein EA-Spiel. Man könnte ein wenig frotzeln, daß die Respawn-Studios dreist bei Uncharted und Dark Souls geklaut hätten - aber das ist ja in der Spiele-Industrie gang und gäbe. Ich meine, Castlevania: Lords Of Shadows war ja auch ein God Of War/Uncharted-Rip-Off und ich kann mit Autorität sagen, daß Fallen Order um Längen besser ausgefallen ist als Lords of Shadows.

In den Nachwehen von Order 66, dem großen Jedi-Schlachten nach Palpatine’s Machtergreifung, versucht ein junger Jedi in den Besitzt einer Liste von Force-Usern zu kommen, die dem Imperium entkommen sind. Simpler kann man den Plot nicht zusammenfassen und ganz ehrlich, so gut ist die Story auch nicht. Es gibt eine beeindruckende Oberschurkin, aber der Plot ist eigentlich nur ein Grund für Cal Kestis, eine Handvoll Planeten aufzusuchen und sich durch herrlich verschnörkelte Labyrinthe zu lichtschwertern. Das Level-Design und die Kampfmechanik sind für mich der absolute Star von Fallen Order. Es gibt hinter jeder Ecke Dinge zu entdecken, neue Monster/Kopfgeldjäger/Stormtrooper zu verkloppen und einige wirklich inspirierte Kletter- und Hüpfpassagen zu absolvieren. Dazu gibt’s ein an Dark Souls angelehntes Kampfsystem mit vielen Counter- und Ausweich-Optionen, welche zusammen mit den sich langsam aufbauenden Macht-Fähigkeiten von Cal zu einem fantastischen Lichtschwert-Ballett zusammenfließen. Ich hab noch einiges vor mir, daher hebe ich mir ein abschließendes Urteil noch auf, aber was ich bis jetzt gespielt habe (der 2. Besuch auf Kashyyyk) war mit das angenehmste, was ich dieses Jahr an Action-Kost erlebt habe. Und auch hier - kein Micropayment-Blödsinn. Ich fasse es nicht.

Bonus-Überraschungen: GreedFall, Grid Autosport (Switch Port), Judgment

Der “Wie gut, daß ich da kein Geld reingesteckt habe”-Award geht dieses Jahr an zwei Titel. Anthem und Fallout 76.

Anthem ist, allem Anschein nach, nur knappe 10 Monate nach Veröffentlichung, ein siechender Leichnam. Ich hab kurz vor Veröffentlichung die “Beta” gespielt und war niedergeschmettert. Ich meine, nach Dragon Age Inquisition hatte ich schon kein gutes Gefühl, aber mal ehrlich: Wie kann man ein Spiel, in dem es um fliegende Mecha-Suits geht, so dermaßen in den Sand setzen? Indem man nicht guckt, wie Warframe, Destiny oder Diablo funktionieren. Die Bioware-Entwickler haben zugegeben, auf Drängen des Managements hin NICHT bei der Konkurrenz zu spicken - und das hat man selbst in der Demo gemerkt. Man hat kaum brauchbare Beute gefunden und Fortschritt jeglicher Art lief auf furchtbares Grinding hinaus. Dazu war das Geballer lustlos und der Netcode eine Seuche. Danach hab ich mir gesagt “warte mal auf die Reviews” und wurde nicht enttäuscht. Und die Unfähigkeit der Entwickler schlug immer höhere Wellen. Groß angekündigte Features wurden kleinlaut gestrichen, wichtiges Personal wurde abgezogen und so gegen September/Oktober war selbst dem größten Optimisten klar, daß Anthem wohl besser begraben gehört.

Und muß ich noch groß über Fallout 76 reden? Ist zwar schon letztes Jahr rausgekommen, aber 2019 war das Jahr, in dem Bethesda ihr wahres Gesicht gezeigt haben. Anstelle das Spiel mit Hochdruck zu reparieren wird die Community mit einer $100-Jahres-Mitgliedschaft geschröpft - deren Features nicht funktionieren oder Beth-buggy sind. Zusammen mit dem Clusterfuck namens “Wolfenstein Youngblood” wirft das kein gutes Licht auf Bethesda und die Zukunft von Doom Eternal, Elder Scrolls VI oder Starfield. Unfähigkeit oder Gier alleine sind schon schlimm genug - aber beides zusammen ist, um mal Jim Sterling zu zitieren - BETHETIC.

Dann doch lieber “The Outer Worlds” weiterspielen.