Während ich darauf warte, endlich die englische Version von Baldur’s Gate 2 - dank GoG.com - spielen zu dürfen, nutze ich die Gelegenheit, meine Gedanken zu Fable III niederzuschreiben.

Fable III baut lose auf der Story von Fable II auf. Es sind 50 Jahre ins Land Albion gezogen und der Held aus Fable II wurde König und hat zwei Kinder hinterlassen - Logan und den Spielcharakter. Dummerweise ist Logan der ältere und wurde vor Euch zum König. Und noch ärgerlicher ist, das Logan kein netter König ist. Andererseits wäre Fable III dann aber ein noch kürzeres Spiel, als es jetzt schon ist. Nach einem besonder ärgerlichen Ereignis beschließt der letzte, alte Gefährte des Königs, daß die Zeit jetzt reif sei, Logan vom Thron zu pusten, und dank des Spielercharakters hat man immerhin einen Anführer, um den sich die Rebellion scharen kann.

So beginnt die Story, die einen innerhalb von knapp 25 Stunden vom Prinzen zum Rebellen-Anführer und zum neuen König von Albion macht. Im Gegensatz zu Fable II, bei dem man bis auf wenige Momente das Gefühl hatte, daß die Hauptstory optional sei, wird man in Fable III erheblich fester an die Hauptquest-Leine gelegt. Klar kann man noch immer haufenweise Nebenquests erfüllen (und muß es sogar), aber es ist jederzeit klar, daß einem die Hauptstory nur für so und so lange von der Leine läßt. Natürlich ist auch Fable III ein Meister im Ablenken - allein schon ein einfacher Weg von A nach B kann durch den Hund, der mal wieder zig Buddel-Örtlichkeiten oder Schatztruhen ausschnuppert, eine kleine Odyssee werden - und man kann dankenswerterweise nach Beendigung der Hauptstory die unerfüllt liegengelassenen Quests abschließen. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt allerdings trotzdem, zumal grade die “Regenten”-Hälfte des Spiels arg lieblos runtergerotzt wirkt.

Achtung, milde Spoiler-Warnung: Nachdem man Logan abgesetzt hat, erfährt man warum Euer Bruder ein solcher Tyrann geworden ist und bekommt außerdem ein Jahr Zeit, sich auf den großen Showdown vorzubereiten. (Spoiler Ende)
Nur: Das Jahr besteht für Lionhead aus nur fünf “Tagen”, an denen eine ganze Latte Entscheidungen getroffen werden müssen. Und ehe man sich’s versieht, wird man in einen Kampf geworfen und die Story ist vorbei. Dagegen war das Ende von Mass Effect 2 gradezu epochal grandios. Klar, im Lauf der Geschichte wird der “Big Bad” zwar angekündigt, aber ich fühle mich - nach grade mal drei Tagen! - ziemlich unbefriedigt vom Ende. Auch wenn die Geschichte stringenter erzählt und mit einigen netten Charakteren gewürzt wurde - der “wahre Fiesling” kann es zu keiner Sekunde mit dem größenwahnsinnigen Lord Lucien aus Fable II aufnehmen, dafür bleibt er das ganze Spiel über zu vage und unbedrohend. Da kann Theresa noch so viel kryptisch warnen.

So, jetzt aber genug gemeckert, denn trotz der Quickie-Haupthandlung hat Fable III noch viel von dem, was Fable II (zumindest in meinen Augen) so grandios gemacht hat - und einen eigenen Sack kleiner Ärgernisse.
Grandios ist das Wiedersehen mit einigen Bekannten aus Fable II, zum Beispiel Sam und Max, den beiden Hobby-Nekromanten, die in Fable II den Friedhof von Bowerstone “aus Versehen” mit Untoten bevölkert haben. Und auch die unflätigen Gargoyles erleben eine Reinkarnation - geschickt in ein Quest verpackt, damit es auch kein Paradoxon zu Fable II gibt, wo man ja als Held alle 50 Gargoyles zerstört hat. Großartig auch “Das Spiel”, in dem drei Magier den Helden zu einem Rollenspiel einladen - wer jemals mit anderen an einem Tisch über W20ern, Charakterbögen und Regelwerken gesessen hat, dürfte bei der Quest konstant wiehernd auf dem Boden liegen. Lionhead haben offensichtlich einige D&D-Nerds im Team :)

Dummerweise gab es einige “Verschlimmbesserungen” im Spieldesign. Man kann zwar immer noch so gut wie jedes Gebäude in Albion kaufen, muß allerdings bei Mietshäusern mit dem Verschleiß jonglieren. Gekaufte Gebäude verfallen über einen gewissen Zeitraum hinweg und man muß in regelmäßigen Abständen Gold zur Reperatur reinpumpen, damit die Mieter sich wohlfühlen und auch schön brav weiter ihr Gold abdrücken. Gäbe es die extrem nützliche Minimap im Unterschlupf nicht, wäre das ein größeres Ärgernis, so ist es halt “nur” nervig, alle halbe Stunde mal ganz Albion abzuklappern, ob nicht irgendwo ein Gebäude geflickt werden muß.

Das Emote-System aus Fable II ist leider komplett gestrichen worden, stattdessen beamt man sich mit einem NPC seiner Wahl in einen Extrakosmos und interagiert mit ihm - mit maximal vier möglichen Emotes. Vorbei die Zeiten, in denen man alle Emotes zur Auswahl hatte, jetzt wirft das Spiel zufällig eine “gute”, eine “böse” und zwei Kontext-Emotes (wie “Autogramm geben” oder “Geld geben”) in den Raum. Und die Idee, für jede “Zuneigungsschwelle” (z.B. Hass -> Neutral -> Freundschaft -> Liebe) ein Botenquest einzustreuen, halte ich für eher kontraproduktiv. Klar, eine nette Idee, noch schnell ein paar Minuten Extra-Spielzeit zu generieren, aber der Nutzen hält sich in Grenzen.

A propos “Extra-Spielzeit” - wer dachte, die Sammelei in Fable II wäre nervig, dürfte Fable III hassen wie die Pest. Nicht nur Silberschlüssel und Gartenzwerge (das Gargoyle-Equivalent) warten darauf, überall gesucht und gefunden zu werden, nein, es gibt noch Goldschlüssel, Bücher und Blumen. Andererseits ist das Herumsuchen eine nette Abwechslung zum ständigen Rumkloppen. Entweder hab ich Fable II falsch im Kopf oder Fable III hat eine erheblich höhere Kampfdichte. Und das macht sich sowohl in den Quests als auch im Erforschen von Albion ziemlich deutlich bemerkbar. Andererseits ist Fable III ein ganzes Stück einfacher geworden - vor allem die neuen “verflochtenen” Zauber räumen mit Gegnerhorden mächtig auf.

Eine Sache, die ich (fast) vollkommen gelungen finde, ist der “Unterschlupf”, das Menü-Zimmer. Fable III verzichtet fast vollständig auf traditionelle Menü-Systeme. Stattdessen sind sämtliche Funktionen wie Waffen- und Kleidungswahl oder selbst der Spielbeitritt auf Xbox Live über einen per START-Taste immer erreichbaren Raum anzuwählen. Man betritt also die Waffenkammer, stellt sich vor’s Waffenregal und nimmt den Prügel, der für die gebotene Situation angebracht ist. Wer sich an das Waffen- und Rüstungszimmer aus Assassin’s Creed erinnert, weiß in etwa, wie’s läuft. Und im Vergleich zum eher lahmarschigen und unnötig verschachtelten Menü aus Fable II eine definitive Verbesserung.

Umgewöhnen muß man sich auch ein klein wenig beim Aufleveln. Hat man in Fable II noch je nach verwendeter Angriffstechnik Erfahrung für Nahkampf, Fernkampf und Magie erlangt, gibt’s in Fable III nur noch eine “Währung” zum Aufleveln, die sogenannten Gildensiegel. Mit denen öffnet man auf der “Road to Rule” (im Deutschen eher mäßig mit “Siegesstraße” übersetzt) Kisten, in denen sich die Fable-typischen Upgrades wie neue Zauber, Emotes oder Kampfstufen befinden. Sieht auf den ersten Blick weniger “free form” aus als das System in Fable II, aber im Gegensatz zu Fable II gibt’s hier einfach weniger zum Freischalten, das über einen längeren Zeitraum aufgeteilt wird - der Fortschritt auf der “Road to Rule” ist nämlich strikt an die Story geknüpft, wodurch verschlossene Abschnitte der Straße zugänglich werden. Aber die Auswahl bleibt nach wie vor allein dem Spieler überlassen. Mein Charakter z.B. ist ein Fernkämpfer/Magier, mein Nahkampf ist auf Stufe 3 und ich habe zum Ende des Spiels nicht genug Siegel, um auch diesen Wert auf 5 hochzuziehen. Da bedarf es noch einiger Extra-Stunden.

Die kann man auch prima damit füllen, die ganzen Waffen aufzuwerten. In Fable und Fable II konnte man für seine gesockelten Waffen Verbesserungen kaufen, die dann Feuer-Auren oder Extra-Erfahrung pro Kill gaben. Das System wurde ebenfalls über Bord geworfen und durch Mini-Erfolge ersetzt. Um bei einer Pistole namens “Knochenbrecher” zum Beispiel Extra-Schaden gegen Hohle Männer zu bekommen, muß man mal eben 300 besagter Gegner wegbratzeln, was erschreckend schnell ging :). Für jede Waffe gibt es drei Verbesserungen, und die Anforderungen reichen durch das ganze Spektrum der möglichen Fable-Aktionen, von “töte X Gegner (vom Typ Y)” bis hin zu “bekomme X Kinder” oder - besonders lustig - “Feiere eine Orgie mit X Personen”. Einerseits eine nette Idee, um jeder Waffe eine Daseinsberechtigung zu verleihen, andererseits auch ziemlich nervig, wenn man eigentliche Rollenspiel-Aktionen wie das Gründen einer Familie auf bloßes Statistik-Grinden runterreduziert. YMMV, wie der Ami sagt.

Lionhead haben zwar ein prima Händchen für Settings und einige interessante Spielmechaniken, aber bei Minispielen versagen sie leider kläglich. Waren die Minigames in Fable II manchmal nervig (Holzhacken!) oder dank technischer Probleme beinahe unspielbar (Barkeeper), sind sie jetzt nicht minder sinnfrei. Ich kann noch verstehen, wenn man zum Laute spielen eine Art “Mini-Guitar-Hero” hinlegen muß, aber die gleiche Mechanik (Balken wandert immer schneller von links nach rechts über bunte Kästchen und man muß die richtige Farbe zum richtigen Zeitpunkt drücken) wird auch für’s Teig ausrollen oder Schmieden benutzt. Und jeder, der mal in der Küche gestanden hat, dürfte wissen, daß es beim Teig rollen eher auf Gleichmäßigkeit anstelle von Geschwindigkeit ankommt. Da wäre irgendwas mit den Analogsticks sinniger.

Technisch reißt Fable III keine Bäume aus. Es läuft auf einer verbesserten Fable II-Engine, die mit einigen neuen Effekten aufgehübscht wurde. Also gibt es immer noch wunderschöne Landschaften und Städte, dafür wirken die NPC’s mittlerweile recht schlicht. Und ich finde die Sprachqualität mieserabel, sowohl technisch als auch künstlerisch. Die deutsche Synchro klingt stellenweise wie eine auf 86 kbit/s runtergerechnete .mp3-Datei, und die Sprecher staksen wie auf zwei-Meter-Stelzen durch ihren Text. Und wenn ich sehe, daß Fable die möglichen 9 GB einer DVD nicht ausreizt (meine Installation sagt 5.7GB) finde ich es eine Unverschämtheit, daß die englische Tonspur nicht auf der DVD ist. Aber selbst das läßt immer noch durchscheinen, daß der teilweise skurrile britische Humor vorhanden und intakt ist.

Puh. Das klingt ziemlich nüchtern bis ernüchtert. Aber trotz aller Meckerei ist Fable III ein gutes, aber zu kurzes Spiel. Grade in der Herrscher-Hälfte hätte man noch einiges mehr unterbringen können. Ich kann mir gut vorstellen, daß irgendwer bei Lionhead dann gesagt hat “Okay, damit wir das Spiel noch zu Weihnachten 2010 rauskriegen, machen wir besser mal hier zu”. So und nicht anders fühlt sich das Ende für mich an. Und NATÜRLICH plant Microsoft, die Spieler noch ordentlich post-release zur Kasse zu bitten. Am 23. November kommen die nächsten DLC-Pakete mit - wer hätte DAS erwartet - neuen Gebieten und Quests. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Ich habe allerdings von Rollenspiel-Leichtgewichten die Schnauze voll. Und das bringt mich wieder zum Anfang des Artikels zurück. Es warten 200 Stunden Baldur’s Gate II auf mich. Uncut und mit englischer Tonspur. HURRA!