Zuerst die wichtigste Frage gleich vorneweg beantworten: “Ist Dead Space 2 besser als Dead Space 1?”

Antwort: Jein.

Längere Antwort: Im Großen und Ganzen ist Dead Space 2 eine verfeinerte Neuauflage von Dead Space 1, einige Mankos aus dem ersten Teil wurden eliminiert, es gibt ein paar mehr (neue Waffen) oder weniger (Leichen zermatschen) zwingende Verbesserungen, aber der Kern - sich komplett wahnsinnig gruseln und heftiges Alien-Zerlegen - ist zum Glück gleich geblieben.

Aber von vorne: Dead Space 2 setzt drei Jahre nach dem Ende des ersten Teils an. Ingenieur Isaac Clarke wurde in der Nähe der ISHIMURA treibend aus dem All gefischt und ins Sol-System, auf den Saturn-Mond Titan gekarrt, wo man ihn dann ausgiebig verhört, therapiert und… nee, hier beginnt Spoiler-Country. Auf jeden Fall ist die Krankenhaus-Sequenz am Anfang schon mal ein unglaublicher Einstieg in ein wirklich nervenzerfetzendes Horror-Kabinett. Isaac hat die Erlebnisse auf der ISHIMURA nicht wirklich verarbeitet, der Tod seiner Freundin Nicole nagt ebenfalls an ihm, und auf dem Titan ist schon der nächste Necromorph-Ausbruch zugange. Sehr schön finde ich, daß man die Story, wie im ersten Teil, in einer angenehm unaufdringlichen Weise (meist per Text-/Audiologs) erzählt und es dadurch genug Raum für Grübeleien und Spekulationen gibt, vor allem, wenn man sich schon länger im Dead-Space-Universum aufhält und die Hintergründe von DS1 und Extraction mitgenommen hat. Es werden auch einige neue Fragen aufgeworfen und ein paar Antworten kredenzt, allerdings ist klar, daß es wohl nicht mit Dead Space 2 aufhören wird. Man gönne sich den finalen Hirnfick nach den Credits.

Technisch ist Dead Space 2 ein rundum solides Produkt. Die Optik des Vorgängers war schon alles andere als häßlich, aber DS2 setzt da noch ein paar Sahnehäubchen obendrauf. Erstklassige Licht- und Schattenspiele, dank des neuen Schauplatzes (eine große Raumbasis) erheblich mehr Abwechslung in den Umgebungen, und die Animation von Isaac und den Necromorphs wirken sehr flüssig und glaubhaft.
Akustisch zieht dieses Spiel sämtliche Register. Sprache, Sound und Musik sind hier mindestens ebenso wichtige Werkzeuge für die Erschaffung des Horrors wie die hektoliterweise verspritzten Flüssigkeiten oder abgesäbelten Gliedmaßen. Selbst auf unserer (zugegebenermaßen ziemlich fetten) Stereo-Anlage bläst die Soundkulisse alles weg. Ein besonderes Lob übrigens an die Sprecher, die englische Tonspur gehört mit zum Natürlichsten, was ich seit langem gehört habe. Beonders Isaac, der jetzt endlich auch was sagen darf, verleiht dem Spiel eine wunderbar menschliche Note, was umso mehr überrascht, da er doch ziemlich deutlich den Verstand verliert.

Eine Entwarnung zum Spielerischen vorneweg: Visceral Games haben im Vorfeld der Veröffentlichung Quick-Time-Events angedroht. Diese glänzen aber im finalen Spiel größtenteils durch Abwesenheit. Gut, es gibt einige Action-Sequenzen, die über das bloße “Point’n'Shoot” hinausgehen, aber nervige “Drücke jetzt diese Kombination aus Knöpfen”-Sequenzen gibt’s keine, wenn man mal vom rapiden Hämmern auf “A” absieht, um sich aus der Umklammerung eines Fieslings zu befreien. Aber das gab’s ja auch schon im Vorgänger.
Ansonsten halten sich die Änderungen im Vergleich zum ersten Teil in Grenzen. Für Lebensenergie- und Stasis-Nachfüller gibt’s jetzt Schnelltasten, einige Waffen haben neue Alternativ-Feuermodi bekommen (die Pulse Rifle z.B.) und mit der Speer-Kanone hat sich eine neue Waffe in’s Arsenal gemogelt. Angeblich soll’s auch noch die Nietenpistole aus Extraction geben, aber die ist mir bei meinen bis jetzt anderthalb Durchgängen noch nicht in die Hände gefallen.
Dezent überholt wurden auch die Zero-G-Spaziergänge. Im letzten Dead Space konnte sich Isaac nur von Plattform zu Plattform springend fortbewegen. Das wurde jetzt durch volle 360-Grad-Bewegungsfreiheit ersetzt. Mit einem Druck auf den linken Stick löst man sich in Zero-G vom Boden, mit den beiden Sticks steuert man seine Bewegungen, mit LB zündet man den Nachbrenner und mit RB kann man sich senkrecht zur nächsten Wand ausrichten. Nach ein wenig Umgewöhnung möchte man das alte System gar nicht mehr wiederhaben - und einige richtig spaßige Sequenzen rund um’s Zero-G-Düsen gibt’s auch noch.
Die Automap wurde übrigens gestrichen, stattdessen bekommt der Locator (rechten Stick reindrücken und halten) ein paar neue Suchfunktionen dazu. Jetzt kann man auch gezielt nach Shops oder Werkbänken suchen, was in der Praxis aber eher selten was nützt, denn verlaufen kann man sich nun überhaupt nicht mehr. Und mit dieser Erkenntnis kommen wir zu meinen kleinen Nörgeleien.

Erstmal: Dead Space 2 kaschiert es zwar geschickt, aber im Grunde ist es die Mutter aller Schlauchlevels. Es gibt ein, zwei Areale (wie die Kathedrale), in denen man durchaus ein wenig erkunden kann, aber 99% des Spiels sind simple Trips von A nach B. Wer schön dem Locator folgt, macht alles richtig, und wenn es neben der offensichtlichen Tür noch eine zweite gibt, befinden sich da 100%ig Bonus-Goodies. Andereseits: Wie bereits gesagt, kaschiert das Spiel diese Gradlinigkeit ganz geschickt, allein schon durch den konstant hohen Streßfaktor. Vor lauter anrollenden Gegnermassen (erheblich höheres Feindaufkommen als in DS1) kommt man gar dazu, lange nach Extras zu suchen. Hier erinnert DS2 stellenweise schon an Extraction. Vollgas mit kleinen Ruhepausen. Paßt gut zum Spiel, deswegen nur ein kleiner Nörgler für den notorischen “Jede Schublade in Resi durchsuchenden Item-Nerd”.
Zweiter Kritikpunkt: Das Spiel ist schon garstig genug, warum muß ich jetzt wirklich jeden Gegner auch noch zu Mus stampfen, um an die Muni/Credits/Logs zu kommen? Im ersten DS hat’s doch auch gereicht, die einfach umzulegen. Nix gegen Splatter, aber grade im Angesicht des oben erwähnten hohen Tempos ist das doch eigentlich kontraproduktiv - erst hetzen, dann ballern, dann alle Monster noch mal kaputtstampfen, um die Items zu kriegen? Nervig.
Und zu guter Letzt: Vom Umfang her ist Dead Space nicht länger als der erste Teil, und doch kommt es auf zwei CD’s daher? Ich kann ja verstehen, daß der Multiplayer noch ein wenig Platz frißt, aber hätte man das nicht eleganter lösen können? CD-Wechsel mitten im Spiel ist soooo 1996. Zumal ich durch puren Zufall herausgefunden habe, daß sowohl auf Disc 1 als auch auf Disc 2 jeweils der komplette Multiplayer-Modus drauf ist. Talk about Platzverschwendung…

Ach ja, dann wäre da noch der Multiplayer: Ich bin ja seit einiger Zeit nicht mehr der große Freund von Versus-Geschnetzel, meine Reflexe können mit denen eines koffeingedopten 12-Jährigen Amis nicht mehr mithalten. Aber das Menschen-vs.-Necromorph-Spielsystem von Dead Space 2 macht Laune. Die Menschen müssen unter heftigem Zeit- und Gegnerdruck ein Ziel erfüllen (z.B. sammelt die Komponenten für diese Bombe, bringt sie zu Punkt X und verteidigt das Dingen, bis es hochgeht), wohingegen die Necromorph-Seite sie mit allen Mitteln daran hindern müssen. Die beiden Seiten spielen sich komplett unterschiedlich, und wer im Singleplayer als Ingenieur gut klargekommen ist, hat im Multiplayer keine Probleme, denn alle Fähigkeiten (Stasis, Kinesis, etc.) sind vorhanden, und im Team sind die Menschen den recht zerbrechlichen Necros eigentlich überlegen. Aber sobald “human nature” dazukommt, haben die Necro-Spieler, unterstützt von einigen CPU-Kollegen, dann wieder eine richtig gute Chance. Hier will ein Mensch unbedingt Held sein und rennt alleine zum Zielpunkt, was den Necros die Gelegenheit gibt, ihn auszuschalten und für ein paar Sekunden aus dem Spiel zu nehmen. Hier will wieder einer extra viele Killpoints holen und achtet nicht auf das, was hinter ihm geschieht. Zack - hat er einen Lurker am Hals, der ihn stilecht zutentakelt. Und so gehts immer weiter. Sozusagen die verschärfte Variante des Left-4-Dead-Versus-Modus. Und weil EA natürlich ihre Fänge am Puls der Zeit haben, mit unverzichtbarem Level-System. Neue Anzüge, Waffen, RIG-Upgrades für die Menschen, neue Spezialfähigkeiten für die Necromorphs. Macht erschreckend viel Spaß, auch mit und gegen einen Haufen anonymer Amis. Wäre natürlich schön, eine zünftige Achter-Party aus der Freundesliste zusammenzukratzen.

Abschließend kann ich Dead Space jedem Survival-Horror- oder auch Actionfan ans Herz legen. Wem der erste Teil schon zugesagt hat, bekommt hier “more of the same” mit kleinen Detailverbesserungen, einem Extra-Hauch Psycho-Horror und einigen der besten Schockmomente seit Dead Space 1. Absolut empfehlenswert.