Oder: 30 Sekunden Philosophie

So langsam komme ich an einen Punkt, an dem ich eins meiner liebsten Hobbies, Videospiele nämlich, nicht mehr verstehe. Nee, das hat jetzt nichts mit dem Irrsinn um die neue Konsolengeneration zu tun, damit hab ich mich bereits abgefunden. Viel mehr frage ich mich nach dem tieferen Sinn.

Ich meine, früher hat man das Spielgerät seiner Wahl angemacht, den Controller in die Hand genommen und losgelegt, vielleicht mit einem Ziel wie “Heute besiege ich Bowser in Welt 5-3″ oder “Sephiroth muß sterben” oder “Ich erobere Arcadia und Myrror nur mit einem Trupp Schleuder-Halblinge” (1500 Geek-Punkte, wer diese Referenz kapiert, hihi). Aber das scheint im Zeitalter von Trophies und Achievements wohl nicht mehr gut genug. Warum? Hat es was mit dieser fest verdrahteten Sammelleidenschaft zu tun, die uns Menschen innewohnt? Oder vielleicht eher damit, daß man heutzutage vor lauter 08/15-Geballer die guten Spiele, die man immer und immer wieder spielen mag, kaum noch findet?

Was hat mich in diese Sinnkrise versetzt?

Nun, da wäre zum einen der ganze Hype um vernetzte Tablets und - achtung, Buzzword - “Second Screen Experiences”. Man möge mir meine Ignoranz und Borniertheit bitte verzeihen, aber:

Was will ich mit einem kleinen, fitzeligen Smartphone-Bildschirm, wenn ich doch in Spuckweite zu einem einigermaßen vernüftig dimensionierten HD-Glotzkasten sitze? Bei der WiiU, bei der der zweite Schirm ja quasi ins Konzept gehört, macht das vielleicht ja noch Sinn, aber an der Xbox oder PlayStation? Ich vermisse ehrlich gesagt die Zeiten der bei Bedarf einblendbaren Minimap. Wenn man sich z.B. ein GTA IV anguckt, in dem die Minimap nur ungefähr so groß ist wie ein altes Fünf-Mark-Stück und man vor lauter Linien die eigene Streckenführung suchen muß, dann frage ich mich, wer das Dingen durch die QA gewunken hat. Oder um ein aktuelleres Beispiel zu nehmen: Resident Evil Revelations hat auf dem 3DS eine schöne, gut lesbare Minimap auf dem zweiten Schirm, auf der großen Glotze allerdings nur einen winzigen, briefmarkengroßen Flecken. Da war selbst die Karte in Resi 5 nützlicher, und wen das Dingen gestört hat, der konnte sie einfach ausblenden.

Aber wenn ich mir jetzt mein kleines Touchscreen-Smartphone angucke, mit einem Bildschirm, den ich fast zweimal in meinen 3DS reinkriege, und mir überlege, daß viele Entwickler ja geradezu mit den Hufen scharren, Karten, Inventories oder gar (Dead Rising 3) Zusatzknöpfe auf das Ding zu legen, kriege ich das Grausen. Erstmal frißt das eh an der eh schon knappen Akkulaufzeit, zweitens müßte ich da meine Augen vom Spielgeschehen auf der großen Glotze abwenden und zu guter Letzt wäre dann noch die Sache der schnellen Erreichbarkeit, wenn’s hektisch wird. Beim Controller hab ich haptisches Feedback, Finger auf Knopf, Aktion, gut. Das geht sogar blind. Aber mit einem Touchscreen-”Device”? Controller weglegen, Handy hochnehmen, auf dem Touchscreen rumpatschen, Handy weglegen, Controller in die Hand nehmen und gucken, wie die Zombies meinen Helden fressen. Oh yeah. Sehr, sehr sinnvolle Idee. Oder?

Aber das ist eigentlich auch nur ein kleiner Juckreiz im Vergleich zur anderen Sache, die mich an meinem Verstand zweifeln läßt. Ich bin - trotz meines Gamerscore von über 100.000 - kein Achievement-Jünger. Ich verbringe eher selten Nachmittage damit, mich 100-mal abknallen zu lassen, um das “Sterbe 100x in einer Multiplayer-Partie”-Achievement zu sammeln. Denn im Endeffekt hab ich nichts davon, außer einer relativ nichtssagenden Nummer, deren einziger Nutzen es ist, mich daran zu erinnern, wie viel Kohle ich in meine 360-Sammlung gesteckt habe. Aber anscheinend braucht “man” das heute ja, das “Meta-Game” zum Videospiel. Seien es jetzt Achievements oder Level-Systeme für jedes noch so hirnrissige Spiel - anscheinend sind Spieler von heute nicht mehr in der Lage, sich selbst zu motivieren und brauchen externe Stimuli, um sich überhaupt mal länger mit was zu beschäftigen.

Anders kann ich mir nicht erklären, wie Valve auf die Idee gekommen sind, zu den “Steam Achievements” noch “Steam Trading Cards” zu bauen. Virtuelle Sammelkarten, deren einziger Nutzen es ist, in Sets gegen bunte Profilbildchen (oder vielleicht Spar-Coupons) eingetauscht zu werden? Jetzt werden bald Spiele nicht mehr nach dem reinen Spielspaß gesucht, sondern danach, wie viele “Card Drops” sie bieten. Videospielen als Meta-Rollenspiel? Spiele fünf Stunden Team Fortress 2 für eine neue Karte?

Och nööö, ich werd zu alt für den Scheiß, ganz ehrlich. Macht das mal ohne mich. Ich starte lieber meinen nächsten Durchgang XCOM, da hab ich mehr von.